(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zur Datenaffäre

Geschrieben am 14-07-2013

Regensburg (ots) - Einfach mal alles abschalten? Mal keine E-Mails
mehr, keine Twitter- oder Facebook-Botschaften, die ohnehin viel zu
oft Datenmüll oder belangloses Gezwitscher sind? Der Datenskandal des
US-Geheimdienstes NSA führt zu den seltsamsten Reaktionen. Politiker
entdecken die Abhörsicherheit von persönlichen Gesprächen auf
Spaziergängen neu. Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger räsoniert darüber, dass man am Telefon
ohnehin nicht immer Klartext reden sollte, weil Big Brother mithören
und aufzeichnen könnte. Der russische Geheimdienst geht allen Ernstes
wieder dazu über, brisante Schreiben auf "abhörsicheren"
Schreibmaschinen deutscher Bauart tippen zu lassen. In der einstigen
US-Kultserie "Kobra, übernehmen Sie!" vernichtete sich das Tonband
mit dem geheimen Auftrag nach fünf Sekunden selbst. Das ist lange
her. Die grenzenlose und ständige Erreichbarkeit der modernen
Kommunikationsmedien von heute hat die Illusion ins Kraut schießen
lassen, das Gesagte und Gesendete sei vor dem Zugriff Dritter sicher.
Wir hätten wissen müssen, dass dem nicht so ist. Jeder Mausklick in
die globale Datenwelt hinterlässt Spuren. Die Horror-Visionen von
George Orwell lesen sich wie Grimms Märchen angesichts der
technischen Möglichkeiten, mit denen heutzutage Geheimdienste, nicht
nur die NSA, im riesigen Datenmeer abfischen. Seit Edward Snowden
NSA-Abhör- und Überwachungspraktiken öffentlich machte, tobt eine
heftige Debatte über Sinn und Grenzen solcher Ausspäherei, über das
Verhältnis von Sicherheit der Daten, aber auch vor Terrorangriffen.
Es stoßen Grundrechte hart aufeinander, etwa das Post- und
Fernmeldegeheimnis und die informationelle Selbstbestimmung mit jenem
nach Schutz des Lebens. Die fundamentale Position, "meine Daten
gehören mir - und zwar nur mir!", stößt sich am - im Kern
berechtigten - Bestreben von Sicherheitsdiensten, möglichst alles zu
wissen, was in den täglich wachsenden Datenstrom eingegeben wird.
Wenn jetzt die liberale Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger sowie ihre CSU-Verbraucherschutzkollegin
Ilse Aigner unisono ein weltweites Datenschutzübereinkommen fordern,
dann ist das zwar politisch korrekt und geradezu rührend, aber
zugleich auch reichlich naiv. Ja, glauben die beiden Ministerinnen
wirklich, dass sich US-Dienste, russischer KGB, israelischer Mossad
oder die Geheimdienste vom Iran bis Nordkorea von einem solchen, ganz
sicher gut gemeinten Abkommen beeindrucken lassen werden? Das ist
nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass auch Internet-Riesen wie
Facebook oder Google willige Helfer der Ausspäh-Dienste sind. Dass
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach seinem Erkundungsbesuch
in Washington von der rot-grünen Opposition in Deutschland geprügelt
und verspottet wird, ist ziemliches Wahlkampfgetöse. Auch zu
rot-grünen Regierungszeiten hat es die NSA-Ausspähaktionen gegeben;
mit mehr oder weniger großer Tolerierung durchs Kanzleramt und mit
kräftiger Unterstützung durch den Bundesnachrichtendienst. Wer im
Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Doch auch die Union
ist in diesen Fragen alles andere als homogen. Während CSU-Granden
wie Seehofer und Aigner lautstark und populistisch den Abschied von
der Vorratsdatenspeicherung ausrufen, hält Friedrich vehement an den
Plänen fest. Die CSU bekommt spielend das Kunststück hin, sowohl für
als auch gegen die Internet-Überwachung zu sein. US-Dienste und
-Administration dürften blass werden angesichts solcher Wendigkeit.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

474871

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: Neues Kulturkonzept Dorgerloh: Kreise sollen sich an den Kosten beteiligen Halle (ots) - Die Landkreise sollen sich nach den Vorstellungen von Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) an den Kosten für Theater und andere Kultureinrichtungen beteiligen. "Dazu werde ich das Gespräch mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund suchen, um über die Bildung von Kulturregionen zu verhandeln", sagte er der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Montag-Ausgabe). Kulturregionen oder kulturelle Zweckverbände sollen ein Schwerpunkt des neuen Landeskulturkonzeptes sein, das Dorgerloh bis Jahresende mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Justiz Linken-Chef Riexinger fordert angesichts des Falles Hoeneß eine Verschärfung des Steuerstrafrechts Halle (ots) - Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hat angesichts einer möglichen Bewährungsstrafe für den Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, Strafverschärfungen für Steuersünder inklusive einer öffentlichen Sünder-Liste im Internet gefordert. "Steuerflucht ist kein Bagatelldelikt", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe). "Ich fürchte ein Gefälligkeitsurteil der bayerischen Justiz." Riexinger fügte deshalb hinzu: "Wir müssen die Gesetze an drei Punkten ändern. Für mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: SPD-Innenexperte Hartmann fordert umfassende Aufklärung von Friedrich in der Spähaffäre - Skepsis über Untersuchungsausschuss Saarbrücken (ots) - Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann hat Bundesinnenminister Peter Friedrich (CSU) aufgefordert, sich über die Ergebnisse seiner USA-Reise im Zusammenhang mit der Spähaffäre umfassend im Parlamentarischen Kontrollgremium sowie im Innenausschuss des Bundestages zu erklären. Friedrich müsse "die Hosen runterlassen" und vollständig über seine Erkenntnisse informieren, sagte Hartmann der "Saarbrücker Zeitung" (Montag-Ausgabe). "Tut er das nicht, werden seine Probleme größer werden". Bislang sei nichts klarer mehr...

  • WAZ: SPD will Breitbandanschlüsse staatlich fördern Essen (ots) - Eine SPD-geführte Regierung würde die Internetversorgung massiv ausbauen wollen. Pro Anschluss soll der Staat bis zur Hälfte der Zuzahlungen übernehmen, maximal 2000 Euro, berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ, Montagausgabe). Das geht aus den SPD-Plänen hervor, die der Zeitung vorliegen. Sie sollen heute in Berlin vorgestellt werden. Um die Zuschüsse zu finanzieren, schlägt die SPD einen "Bürgerfonds" vor. Er soll dort helfen, wo der Markt bisher nicht ausreicht. Der Fonds ist ein zweckgebundenes Sparbuch. mehr...

  • Neue OZ: Neue OZ - Interview mit Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. Osnabrück (ots) - Krebshilfe: Hautkrebs ist häufigste Tumorart bei jungen Frauen - Solarienbesuche als Ursache Präsident Nettekoven: Freizeitverhalten der Deutschen trägt zu steigenden Krankheitsraten bei Osnabrück.- Die Deutsche Krebshilfe hat die Bundesbürger zu mehr Risikobewusstsein beim Thema UV-Strahlung aufgerufen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag) sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Nettekoven, "die Zahl der Hautkrebserkrankungen hat sich in den letzten Jahrzehnten vervierfacht - das ist mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht