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DER STANDARD-KOMMENTAR "Abgeordnete als Parteisoldaten" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 10-07-2013

Das freie Mandat steht in der Verfassung: Wer es nutzt, wird
abgestraft - Ausgabe vom 11.7.2013

Wien (ots) - In Österreich gilt das freie Mandat für
Nationalratsmitglieder. In Artikel 56 der Bundesverfassung heißt es:
"Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates
sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden."
Theoretisch - praktisch gilt der Klubzwang beziehungsweise die
Parteilinie. Oder das, was die Koalitionsräson gebietet. Die
Erfahrung, dass das unter Wolfgang Schüssel geltende ÖVP-Diktum
"Hände falten, Gosch'n halten" auch in der SPÖ gilt, macht derzeit
die Abgeordnete Sonja Ablinger. Sie hat bei der Abstimmung über den
Fiskalpakt anders votiert als ihre Klubkollegen und dies auch
begründet. Beim Votum über das Fremdenrechtspaket hat sie den
Plenarsaal verlassen. Dass Ablinger wegen eines nicht sicheren
Listenplatzes um ihren Wiedereinzug in den Nationalrat zittern muss,
hat mit ihrem Abstimmungsverhalten zu tun. Deutlich schreibt dies der
damalige Sprecher des SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Viktor
Klima, Josef Kalina, im Kurznachrichtendienst Twitter: "Politik
funktioniert nicht ohne Loyalität und Mehrheitsfindung. Wer nichts
mittragen kann, muss ja nicht Mandat übernehmen." Und: "Wer da nicht
mit kann sollte konsequent sein und gehen da 'kein Mandat' im
wahrsten Sinn des Wortes." Er meint, Ablinger sei bei der KPÖ oder
der neuen linken Gruppierung Wandel eventuell besser aufgehoben. Das
ist eine klare Auskunft: Wer ein Mandat annimmt, muss sich der
Parteilinie unterwerfen, sonst verstößt er oder sie gegen das Mandat
der Partei - von wegen repräsentative Demokratie. Dabei steht
eigentlich in der Verfassung, gleich in Artikel 1: "Österreich ist
eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Offenbar
sind nur Abnicker im Parlament erwünscht. Eigenes Denken oder gar
Handeln ist nicht erwünscht. Wer sich allzu aufmüpfig verhält, fliegt
raus - oder kommt nicht mehr ins Parlament rein. Diese Erfahrung
machten in der SPÖ schon der Mandatar Herbert Posch, der gegen die
Fremdengesetze votierte, und der Europaabgeordnete Herbert Bösch.
Seine Platzierung auf einen aussichtslosen Listenplatz bei der
Europawahl 2009 wurde allgemein als Abstrafung für Böschs Kritik am
EU-skeptischen Kurs von Bundeskanzler Werner Faymann gewertet. Nicht
anders erging es dem langjährigen ÖVP-Abweichler Ferry Maier und dem
in Brüssel anerkannten Europaabgeordneten der Grünen, Johannes
Voggenhuber. Zu viel Kritik an der eigenen Partei schadet der
Karriere. Im Europaparlament stimmen Abgeordnete immer wieder anders
als ihre Parteifreunde in Wien. In Straßburg und Brüssel gibt es den
hierzulande bekannten Klubzwang in dieser Form nicht. In Deutschland
kommt es sogar sehr häufig vor, dass nicht alle Abgeordneten einer
Partei einheitlich abstimmen oder sich enthalten. Sie können sich
explizit auf eine Gewissensentscheidung berufen, das ermöglicht ihnen
das deutsche Grundgesetz, wo es in Artikel 38 über die Rolle von
Abgeordneten heißt: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an
Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen
unterworfen." Ein Teil von ihnen ist auch per Direktwahl ins
Parlament gekommen, nicht über die Liste einer Partei - das stärkt
das Selbstbewusstsein. In Österreich können sich Abgeordnete auf die
Verfassung berufen. Aber sie sind Parteisoldaten, das ist die
Realverfassung.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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