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DER STANDARD-KOMMENTAR "Bürgerrecht geht vor Sicherheit" von Thomas Mayer

Geschrieben am 09-07-2013

Europa braucht keinen Snowden - Probleme beim Datenschutz sind
offenkundig - Ausgabe vom 10.7.2013

Wien (ots) - Seit Wochen gehen quer durch Europa die Wogen der
Empörung hoch angesichts der Enthüllungen eines abgesprungenen
US-Agenten zum Datenmissbrauch durch US-Geheimdienste. Völlig zu
Recht. Denn auch wenn es im Fall Edward Snowden nach wie vor einige
seltsame Begleitumstände und kaum handfeste Beweise statt
Behauptungen gibt, lässt sich sagen: Es ist mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass US-Dienste -
gestützt auf US-Recht - Daten auch von Europäern systematisch
abgreifen. Die Regierung in Washington hat dem nicht widersprochen.
Was jenseits des Atlantiks nach den Terroranschlägen von 9/11 von der
Bevölkerung jedoch mehrheitlich befürwortet wird, ist aus Sicht der
europäischen Bürger legitimerweise unerträglich. Es gibt in der EU
nicht jene Sondergesetze, die unter dem Deckmantel der militärischen
Sicherheit praktisch alles erlauben. Daher haben europäische Bürger
jedes Recht, von ihren Regierungen präzise Auskünfte darüber zu
erhalten, wann, wie, warum und in welchem Ausmaß die
Sicherheitsdienste in den EU-Staaten mit den Amerikanern bestens
kooperieren. Dazu ist - zumindest bisher - wenig zu hören. Außer viel
Herumgedruckse und Enthüllungen, dass auch britische und französische
Geheimdienste den "Freunden" in Amerika kaum nachstehen, hat noch
kein Land ernsthafte Konsequenzen gezogen. Einer der Gründe dürfte
sein, dass die meisten Regierungen in Europa in puncto
Datenmissbrauch bzw. Schutz der Privatsphäre der Bürger wohl selber
jede Menge Dreck am Stecken haben - und das nicht nur im
militärischen Aufklärungsbereich. Die Europäer müssen nicht unbedingt
mit dem Finger auf die USA zeigen. Die haben Grund, beim Datenschutz
im eigenen Haus zu kehren. Wie weit das alles in Wahrheit geht, wenn
auch vordergründig auf unspektakuläre Weise, das ließ sich nun bei
der öffentlichen Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs schön
ablesen. Auch dabei ging es um die systematische Erfassung von Daten,
die Aufzeichnungen von Telekommunikationsdaten im Zuge der
Vorratsdatenspeicherung. Nicht Inhalte werden dabei "abgehört",
sondern wer mit wem wann kommuniziert. Vorläufiges Fazit: Die
entsprechende EU-Regelung aus dem Jahr 2006 wurde offensichtlich
äußerst schlampig ausgestaltet. Der eine oder andere der
EU-Höchstrichter (die eigentlich für ihre Trockenheit und
Verschwiegenheit berühmt-berüchtigt sind) machte aus seinem Herzen
auch gar keine Mördergrube: Sehr angemessen erscheine das nicht, was
die Regierungen mit den EU-Institutionen ausgeklüngelt hätten; es sei
nicht mehr zeitgemäß, dass die Vorratsdatenspeicherung auf Basis
eines Binnenmarktgesetzes (!) gemacht wurde; und es dürfe kein
Zweifel daran bestehen, dass die Grundrechte der EU-Charta für alle
nationalen Regierungen bei der Umsetzung zu gelten hätten - ohne
Einschränkungen. Man wird sehen, ob der EuGH Ende des Jahres, wenn
das Urteil frühestens ergeht, die gesamte Richtlinie kippen wird oder
nur Auftrag zur gründlichen Überarbeitung gibt. Klar ist aber schon
jetzt, dass die Union von sich aus gut beraten wäre, das Thema
Datenschutz in der EU schon vorher einem gründlichen Check zu
unterziehen. Die Dinge passen derzeit nicht zusammen. Der Staat
mischt sich zu oft zu tief ein ins (Daten-)Leben seiner Bürger. Prism
soll davon nicht ablenken.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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