(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Versprechen gebrochen

Geschrieben am 04-07-2013

Regensburg (ots) - Von Maria Gruber

Als Mohammed Mursi vor einem Jahr zum Präsidenten Ägyptens gewählt
wurde, gab er ein Versprechen ab: Er wollte Präsident aller Ägypter
sein. Dieses Versprechen hat Mursi gebrochen. Denn er und seine
Muslimbruderschaft haben ihren Regierungsauftrag falsch verstanden
und so Stück für Stück ihre Legitimität verspielt. Dieser Prozess
begann nicht erst vor wenigen Wochen, sondern zeichnete sich schon
lange ab - auch, wenn Mursi lange versuchte, nach außen hin ein
anderes Bild abzugeben - das des ersten freigewählten Präsidenten
Ägyptens, für den nichts über dem Willen des Volkes steht. "Ihr seid
die Quelle der Macht und der Legitimität", hatte er einen Tag nach
seiner offiziellen Amtseinführung erklärt. Diese Quelle der Macht war
es nun, die ihn mithilfe des Militärs aus dem Amt jagte. Und das ist
nur folgerichtig. Denn es sind Wohlstand, Freiheit, Pluralismus und
Demokratie, worum die Ägypter schon kämpften, als sie Hosni Mubarak
stürzten - und sie werden weiterkämpfen, bis sie eine Regierung
haben, die nicht versucht, die Macht zu monopolisieren. Genau das
aber war geschehen. Dass Mursi selbst gestern noch davon sprach, dass
seine Entmachtung "von allen freien Menschen des Landes abgelehnt"
werde, "die dafür gekämpft haben, dass Ägypten eine zivile Demokratie
wird", beweist nur, wie weit er von seinem ursprünglichen Vorhaben
entfernt war. Denn das Gegenteil ist der Fall. Gerade diejenigen, die
sich unfrei fühlten und Ägypten unter Mursi eben nicht als zivile
Demokratie betrachteten, gingen auf die Straße. Was daraus entstand,
war die zweite Revolution Ägyptens. Vor mehr als einem Jahr war Mursi
von 52 Prozent der Menschen gewählt worden, etablierte aber ein
System, das die andere Hälfte Ägyptens ausschloss. Bei der Wahl
hatten die Muslimbrüder einen entscheidenden Vorteil: Sie konnten auf
jahrzehntelang gewachsene Strukturen zurückgreifen. Die anderen
Revolutionäre jedoch waren zersplitterte Gruppen, die nicht in der
Lage waren, sich zu schlagkräftigen politischen Formationen
zusammenzuschließen. Dass die Muslimbrüder unter Mubarak verboten
waren, verschaffte ihnen weitere Sympathiepunkte - die Menschen
vertrauten ihnen, doch die Hoffnungen wurden enttäuscht. Auf die
Opposition ging Mursi nie ein. Der erste Vertrauensbruch war schon
die Entstehung der neuen Verfassung. Mursi hatte versprochen, sie
gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu erarbeiten, schloss
dann jedoch Liberale, Linke, säkulare Gruppen und Christen aus dem
entsprechenden Gremium aus. Nachträgliche Quasi-Legitimität sollte
der islamistisch geprägten Verfassung ein Referendum geben. Sie wurde
zwar mit Mehrheit angenommen. Allerdings nahmen an der Abstimmung nur
36 Prozent der Ägypter teil. Keine Lösung hatte Mursi auch für die
wirtschaftlichen Probleme des Landes, die einst mit Auslöser für die
Revolution in Ägypten waren. Der Auftrag an eine neue Führung
Ägyptens ist nun: Die Herstellung von Wohlstand, Freiheit,
Pluralismus und Demokratie. Der neuen Regierung muss es gelingen,
alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte einzubinden - und dazu
gehört auch die Muslimbruderschaft. Sonst macht sie den selben
Fehler, den einst Mursi begangen hat. Die Sorge vor einer erneuten
Überreaktion ist jedoch berechtigt. So wurden Berichten zufolge
Muslimbrüder festgenommen und ein Ausreiseverbot für Hunderte
Mitglieder der Muslimbruderschaft verhängt, deren Fernsehsender
geschlossen und prominente Nachrichtenmoderatoren festgenommen. Soll
es nicht zu einem Bürgerkrieg kommen, müssen Rache und
Vergeltungsaktionen verhindert werden. Hier wird das Militär zeigen
müssen, ob es das Vertrauen der Menschen wirklich verdient hat.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

473445

weitere Artikel:
  • Westfalenpost: Der arabische Herbst, der keinen Sommer sah / Kommentar zur Lage in Ägypten von Stefan Hans Kläsener Hagen (ots) - Die Frage können wir getrost künftigen juristischen Doktorarbeiten überlassen: Ob es sich beim Eingreifen des ägyptischen Militärs um einen Coup d'État, einen Staatsstreich (oder, etwas vulgärer, um einen Putsch) handelte. Viel brisanter ist die politische Feststellung, dass der arabische Frühling, der erst in Ägypten seine Durchschlagskraft erhielt, unmittelbar in einen Herbst übergeht, ohne einen Sommer gesehen zu haben. Ägypten ist nicht irgendein arabisches Land. Es ist das bevölkerungsreichste islamische Land Afrikas, mehr...

  • Badische Neueste Nachrichten: Zinsknechtschaft Karlsruhe (ots) - Zinssätze nahe Null bergen eine schreckliche Verführung: Sie belohnen staatliche wie private Schuldner, fressen aber gleichzeitig das Vermögen der Sparer auf. Aus dieser Falle wird sich die Europäische Zentralbank (EZB) so lange nicht befreien können wie die Euro-Krise schwelt. Einige Wochen schien sie beruhigt, jetzt drängt sie wieder in den Vordergrund. Für Griechenland ist ein neuer Schuldenerlass im Gespräch, und Portugal stolpert in eine Regierungskrise. Die US-Notenbank war vorgeprescht und hat angekündigt, mehr...

  • ARD-DeutschlandTrend Juli 2013 - aktualisierte Fassung - siehe letzer Satz 2. Absatz der Meldung - Köln (ots) - Sperrfrist: 04.07.2013 22:45 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Sperrfrist für alle Ergebnisse: - für elektronische Medien heute, 22:45 Uhr - für Printmedien: Freitagsausgaben Verwendung nur mit Quellenangabe "ARD-DeutschlandTrend" Abstand von Union und SPD so groß wie lange nicht 81 Prozent rechnen mit weiterer Kanzlerschaft Merkels In der Sonntagsfrage des aktuellen ARD-DeutschlandTrends ist der Abstand mehr...

  • ARD-DeutschlandTrend Juli 2013: + korrigierte Schreibweise: Rainer Brüderle + Abstand von Union und SPD so groß wie lange nicht 81 Prozent rechnen mit weiterer Kanzlerschaft Merkels Köln (ots) - Sperrfrist: 04.07.2013 22:45 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Sperrfrist für alle Ergebnisse: - für elektronische Medien heute, 22:45 Uhr - für Printmedien: Freitagsausgaben Verwendung nur mit Quellenangabe "ARD-DeutschlandTrend" In der Sonntagsfrage des aktuellen ARD-DeutschlandTrends ist der Abstand zwischen Union und SPD mit 17 Punkten so hoch wie seit Juni 2005 nicht mehr. Die Union erreicht mit 42 Prozent mehr...

  • ARD-DeutschlandTrend Juli 2013: Vertrauen in die USA deutlich gesunken Ausmaß der Abhöraffäre überrascht die meisten Deutschen Köln (ots) - Sperrfrist: 04.07.2013 22:45 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Sperrfrist für alle Ergebnisse: - für elektronische Medien heute, 22:45 Uhr - für Printmedien: Freitagsausgaben Verwendung nur mit Quellenangabe "ARD-DeutschlandTrend" Mehr als die Hälfte der Deutschen hält eine geheimdienstliche Überwachung zur Terrorbekämpfung für nötig. 55 Prozent sagen, dass man damit leben müsse, dass Geheimdienste großflächig mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht