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Mittelbayerische Zeitung: Verraten und verkauft - Edward Snowden hat Unterstützung verdient, auch wenn das bedeutet, sich mit den USA anzulegen. Von Christian Kucznierz

Geschrieben am 02-07-2013

Regensburg (ots) - Man liebt den Verrat, nicht den Verräter,
lautet eine alte Weisheit. Sie hat nichts von ihrer Aktualität
verloren. Während alle Staaten bis auf die USA froh sind, dass einer
wie Edward Snowden schonungslos offengelegt hat, wie die Vereinigten
Staaten selbst mit ihren engsten Verbündeten umgehen, ist es mit der
Freude vorbei, wenn Snowden hilfesuchend vor ihrer Türe steht. Das
ist so verständlich wie erbärmlich. Für Snowden war es von Anfang an
unrealistisch, sich Hoffnung auf Asyl in Deutschland zu machen -
nicht nur aus formalen Gründen. Der Ex-Geheimdienstmann ist kein
Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, weil er nicht
wegen seiner Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer
ethnischen Gruppe verfolgt wird; am ehesten würde passen, dass
Snowdens politische Überzeugung ihn außer Landes getrieben hat. Aber
eigentlich ist er auf der Flucht, weil er Geheimnisse verraten hat -
nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für diesen Verrat sind viele
Staaten dankbar, allen voran Deutschland und die EU. Aber bereit,
sich ihrerseits nun mit den USA anzulegen, werden sie nicht sein.
Denn das müssten sie tun. Deutschland hat wie viele andere Staaten,
in denen Snowden nun Unterschlupf suchen möchte, ein
Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet. Die
EU als Ganzes hat das auch getan. Käme Snowden also nach Europa,
bliebe dem Land, das ihn aufnimmt, wohl nichts anderes übrig, als ihn
den USA zu übergeben - oder aber die Abkommen zu ignorieren, was
undenkbar ist. Die Folgen für die transatlantischen Beziehungen in
diesem Fall wären unabsehbar. Allerdings: So belastet wie derzeit
waren sie ohnehin schon lange nicht mehr. Da helfen keine
freundschaftlichen Gesten vor der Kulisse des Brandenburger Tors oder
freundliche Worte des US-Präsidenten: Die USA trauen ihren Partnern
ganz offensichtlich alles zu - und machen, was ihnen selbst Kritiker
kaum zugetraut haben: Sie spionieren ihre Freunde aus - und das nicht
nur im Interesse der Sicherheit, sondern auch der eigenen Wirtschaft.
Es gibt ganz offenbar eine dunkle Seite der Macht der USA, und
Snowden hat sie offengelegt. Weil er vielen Staaten die Augen
geöffnet hat, hat er deren Unterstützung verdient. Die aber bleibt
aus. Es ist bezeichnend genug, dass er Zuflucht in Staaten wie China
und Russland sucht und findet, die vieles sind, nur nicht bekannt für
ihre Rechtsstaatlichkeit oder ihre Achtung der Meinungsfreiheit. Es
ist ein Schlag ins Gesicht des Westens, dass ausgerechnet Wladimir
Putin als erster Asyl angeboten hat. Snowden ist in den Augen der USA
ein Schurke. In Europa gilt er manchen als Held. Beides ist falsch.
Er hat Geheimnisse nicht an den Feind verraten, sondern an angebliche
Freunde. Ja, er hat etwas Verbotenes getan. Aber er hat damit
aufgedeckt, dass sein Land Dinge macht, die eines modernen Staates
unwürdig sind. Das ist eine mutige Tat, für die er aber nicht
verklärt werden sollte. Dafür weiß man auch viel zu wenig über ihn.
In keinem Fall aber hat Snowden es verdient, jetzt verraten und
verkauft zu werden. Deutschland und die Europäische Union hätten im
Licht der jüngsten Enthüllungen jedes Recht, Edward Snowden zu
helfen. Die USA haben keine Rücksicht auf deutsche oder europäische
Befindlichkeiten oder Interessen genommen; warum sollten Berlin oder
Brüssel Rücksicht auf amerikanische Befindlichkeiten nehmen? Die EU
kann zwar kein sicherer Zufluchtsort für Snowden sein. Aber es steht
in der Macht der Mitgliedsstaaten, ihm bei der Suche zu helfen.
Diesen Mut sollten sie im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit
beweisen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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