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Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Pflegebericht:

Geschrieben am 27-06-2013

Bielefeld (ots) - Und täglich grüßt das Murmeltier: Die gestrige
Übergabe des Experten-Pflegeberichts an Bundesgesundheitsminister
Daniel Bahr (FDP) erinnert an Szenen von 2009. Nur dass die
zuständige Ministerin damals Ulla Schmidt (SPD) hieß. Aus drei
Pflegestufen fünf machen, Demenzkranke besser versorgen,
Pflegebegriff erneuern - an den Ideen hat sich nichts geändert.
Leider fehlt auch immer noch der Mut, eine umfassende Pflegereform
anzupacken. Es klingt wie Hohn, wenn Bahr sagt, eine Reform sei
»komplizierter als erwartet«. Welch Mammutaufgabe das ist, wissen
alle Beteiligten seit Jahren. Eine weitere Ausrede dürfte ebenfalls
wegfallen. Niemand kann mehr behaupten, es fehle an Expertenwissen.
Das Problem ist nur, dass die Fachleute im Pflegebeirat uneinig sind.
Kurzerhand haben sie sich um einen Kostenvorschlag gedrückt. Zwei
Milliarden Euro waren den Arbeitgebern zu viel, den
Wohlfahrtsverbänden zu wenig. Am Ende knickten letztere gegenüber den
Unternehmern ein. Die Kostenschätzung wurde vom prominenten Platz im
Bericht gestrichen. Als wäre ein Problem nicht da, weil man die Augen
schließt. Es geht bei einer Pflegereform um viel mehr als Geld.
Folgte die Regierung den Empfehlungen des Beirates, würde der
entscheidende Konstruktionsfehler der 1995 eingeführten
Pflegeversicherung behoben. Die Konzentration auf körperliche Leiden
hätte ein Ende. Viel zu lange werden Demenzkranke benachteiligt.
»Minutenpflege« lautet das Stichwort. Je schneller, desto besser,
trifft es eher. Dieses Prinzip ist makaber und entwürdigend. Die Höhe
der Leistung richtet sich nur nach dem Zeitaufwand des Pflegers oder
pflegenden Angehörigen. Ein Demenzkranker, der mobil ist, fällt durch
das Raster. Auch wenn er intensive Betreuung braucht. Heime mit
vielen Pflegern, die die Selbstständigkeit von dementen Menschen
fördern, werden oft ebenfalls finanziell bestraft. Ein unhaltbarer
Zustand! Die kleine Reform der Regierung zur Pflege hat die Lage
Demenzkranker zwar verbessert - von mehr Unterstützung für pflegende
Angehörige bis hin zu mehr Geld bei einer Pflegestufe. Zu einem neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff kann sich Schwarz-Gelb aber nicht
durchringen. Angekündigt wird viel. Umgesetzt wenig. Mit einer
solchen Reform ginge eine der wichtigsten Veränderungen einher. Der
Medizinische Dienst würde die soziale und geistige Verfassung des
Patienten begutachten und nicht nur die Minuten zählen, die es für
die Hilfe beim Mittagessen braucht. All das ist ohne eine Erhöhung
des Pflegeversicherungsbeitrags nicht umsetzbar. Das sollte uns gute
Versorgung im Alter Wert sein. Wenn die Politik mutig wäre, würde sie
die bessere Bezahlung von Pflegern - zusätzlich zu den Vorschlägen
des Beirates - vorantreiben und die Kontrolle in Heimen in
unabhängige Hände legen. Denn nur einen Expertenbericht durchzulesen
und in die Schublade zu legen, verändert nichts für die Millionen
Pflegebedürftigen in Deutschland.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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