(Registrieren)

WAZ: Graben zwischen Türkei und Europa - Kommentar von Knut Pries

Geschrieben am 25-06-2013

Essen (ots) - Was die vielberufenen europäischen Werte anbelangt,
ist die Sache klar: Wer Demonstranten zu Feinden erklärt und
Straßenprotest zum Übel, das mit schwerem Gerät beseitigt gehört, hat
nicht verstanden, wie Demokratien mit zivilem Widerstand umzugehen
haben. So unterschiedlich die EU-Regenten reagieren mögen, wenn bei
ihnen zu Hause die Straße unruhig wird - im Verständnis von den
Grenzen staatlicher Gewalt sind sie grundsätzlich einigermaßen einig.
Und so über Kreuz sie in der Frage der türkischen EU-Mitgliedschaft
sind - alle sind sich einig, dass der rabiate Premier Erdogan die
Aufnahmebedingungen nicht erfüllt. Die brasilianische Staatschefin
Roussef agiert beim Umgang mit Protest derzeit "europäischer" als der
zornige Mann am Bosporus, der Einlass begehrt in den Club der
Europäer. So ist es völlig richtig, dass die EU sich nicht darauf
beschränkt, Besorgnis zu artikulieren. Es wäre absurd, wenn man im
Rahmen des Beitrittsprozesses von den blutigen Ereignissen auf dem
Taksim-Platz keine Notiz nähme. Es wäre nicht nur dickfellig
gegenüber denen, die für "europäische" Verhältnisse ihre Gesundheit
riskieren. Es wäre zugleich ein erbärmliches Zeichen, dass man es mit
der Verpflichtung auf die gemeinsamen Werte nicht allzu genau nimmt,
wenn es hart auf hart kommt. Diesem Verdacht hat sich die EU leider
immer wieder ausgesetzt. Weder der bevorstehende Beitritt Kroatiens
noch die jetzt beschlossenen nächsten Schritte mit Serbien und dem
Kosovo sind in dieser Beziehung unverdächtig. Vor diesem Hintergrund
war es also angemessen, die Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen
zu verschieben. Und es war klug, diesen Schritt der Regierung in
Ankara ausführlich zu kommunizieren. Die Parole "kein business as
usual" - nach Taksim kann es nicht einfach weitergehen - zielt
freilich am Sonderfall Türkei haarscharf vorbei. Mit Ankara ist es in
Sachen EU-Mitgliedschaft nie normal weitergegangen. Bis heute, fast
50 Jahre nach der Eröffnung der Beitrittsperspektive durch die
damalige EWG, hat sich die EU in diesem Punkte nicht ehrlich gemacht.
Die Verhandlungen werden eben nicht von allen EU-Staaten
"ergebnisoffen" geführt. Wohl wahr: Die Türkei muss mehr liefern. Die
EU aber auch.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

471678

weitere Artikel:
  • WAZ: Lobbyisten wird man nie ganz los - Kommentar von Matthias Korfmann Essen (ots) - Lobbyist ist ein hässliches Wort. Der Ruf des Lobbyisten ist kaum besser als der des Drogenhändlers oder Steuerbetrügers. Lobbyisten gelten als Einflüsterer, Manipulierer, Schattenherrscher. Politiker gehen ihnen auf den Leim, Journalisten zuweilen auch. Denkt man jedenfalls. Die Wahrheit ist komplizierter. Es gibt die Pharma- und die Auto-Lobby, aber auch die Radfahrer- und die Bio-Lobby. Sind die einen nur böse, die anderen nur gut? Lobbyisten sind Interessenvertreter. Die werden wir nie ganz los. In den USA gibt mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Zur Debatte um den Schlaganfall von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck Frankfurt/Oder (ots) - Bereitschaft zu öffentlichen Ämtern hat natürlich immer auch etwas mit Bereitschaft zur öffentlichen Selbstdarstellung zu tun: Trappisten werden nie Politiker oder Vorstandsvorsitzende. Und genauso richtig ist, dass mancher seinen Absturz selbst provozierte, weil er Goethes Zauberlehrling nicht verinnerlichte: Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los. Aber entscheidender ist eine Gemengelage, die alle Phantasien George Orwells weit überholt: Anonymität in Internet-Shitstorms verquirlt mit Durchstechereien mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Zur Kritik an Fahndungsmethode nach Autobahn-Anschlägen Frankfurt/Oder (ots) - Dass nun Datenschützer empört aufschreien, Millionen von unverdächtige Personen seien damit ins Visier der Ermittlungsbehörde geraten, ist in diesem speziellen Fall jedoch reichlich unverständlich. Denn wie soll ein Täter, der scheinbar grundlos zuschlägt, anders gefasst werden - will man nicht auf Kommissar Zufall bauen. Am Ende stellt sich zudem stets die Frage, wen das Recht im Notfall eigentlich schützen soll: den Täter oder doch eher den unbescholtenen Bürger. In diesem Fall sollte die Antwort klar sein. mehr...

  • DER STANDARD-KOMMENTAR "Politische Gestaltung" von Michael Völker Ausgabe vom 26.6.2013 Wien (ots) - Die SPÖ hat der Dynamik der Entwicklung letztendlich nachgeben müssen und stimmt nun einem Demokratiepaket zu, das mit der Volkspartei und den Grünen ausverhandelt wurde. Stimmen noch andere Oppositionsparteien zu, ist es gut, wenn nicht, macht es auch nichts, eine Verfassungsmehrheit ist jedenfalls vorhanden: Die direkte Demokratie wird ausgebaut - eine Entwicklung, die nicht mehr zu bremsen war, auch wenn viele in der SPÖ, aber auch erfahrene Politiker wie ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol oder Bundespräsident mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Von wegen Spielzeug Kommentar von Peter Königsberger zu islamistischen Terroristen Mainz (ots) - Die gute Nachricht lautet: Polizei und Verfassungsschutz sind offenbar erfolgreich bei der Beobachtung islamistischer Terroristen, und sie gehen auf Nummer sicher, will heißen: Sie schlagen so früh zu, dass ihnen die möglichen Täter nicht durch die Lappen gehen. Die Schlechte ist: Islamistische Attentäter missbrauchen nach wie vor die Freiheit, die unser demokratisches Gemeinwesen garantiert, gnadenlos aus, um hierzulande Anschläge vorzubereiten. Im aktuellen Fall sollen zwei Tunesier geplant haben, Modellflugzeuge mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht