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Rheinische Post: Obamas großer Auftritt mit einer kleinen Rede = Von Matthias Beermann

Geschrieben am 19-06-2013

Düsseldorf (ots) - Wahrscheinlich war diese Rede derartig mit
Erwartungen überfrachtet worden, dass man hinterher zwangsläufig ein
wenig enttäuscht sein musste. Barack Obama hatte seinen großen
Auftritt vor dem Brandenburger Tor, locker und charmant wie immer,
aber die ganz große Rede gelang ihm nicht. Die hätte einer zentralen,
einer prägenden Botschaft bedurft, und die hatte Obama nicht zu
verkünden. Dass die USA mit Russland über eine drastische
Verringerung der Atomwaffenarsenale verhandeln wollen, wäre in der
Zeit des Kalten Krieges, die Obama an historischer Stelle
pflichtschuldigst erwähnte, eine Sensation gewesen. Heute erinnert
sie vor allem daran, dass der Präsident seiner schon ganz zu Beginn
seiner ersten Amtszeit formulierten Vision von einer atomwaffenfreien
Welt nicht einen Millimeter näher gekommen ist. Vieles in Obamas
Ansprache war schlicht an seine Landsleute gerichtet, die ihn weit
kritischer sehen als die Deutschen, gerade weil er in ihren Augen
vielen schönen Ankündigungen einfach zu wenig konkrete Taten folgen
lässt. Vieles gemahnte auch sehr an allgemeine
Weltverbesserungsrhetorik. Trotzdem: Es gab auch sehr bedenkenswerte
Töne. Da warnte Obama etwa vor Selbstzufriedenheit, vor dem
irreführenden Eindruck, mit dem Fall der Mauer und dem Ende der
Ost-West-Konfrontation hätten sich die großen historischen
Herausforderungen ein für alle Mal erledigt. Man kann es auch als
höflich verpackte Aufforderung an die weltpolitisch so gerne etwas
bequemen Deutschen verstehen, wenn Obama die Demonstranten des
Arabischen Frühlings mit den Berlinern vergleicht, die schon 1953 für
ein Ende der deutschen Teilung auf die Straße gingen. Eintreten für
Menschenrechte und Demokratie überall auf der Welt, auch wenn es
unbequem, ja riskant sein mag, bleibt eine ständige Herausforderung
für die westliche Welt. Gut möglich, dass Obama seine deutschen
Freunde beim Thema Syrien schon bald sehr viel konkreter darauf
ansprechen wird, als man sich das in Berlin wünscht. Der Obama, der
da gestern in Berlin zu erleben war, war kein zweiter Kennedy. Es war
der Obama von 2013, wiedergewählt zwar, aber einer, dessen einst
große Entwürfe im knallharten Polit-Betrieb von Washington schon
glattgeschmirgelt worden sind wie Bachkiesel. Er ist, notgedrungen,
zum Pragmatiker geworden. Das lässt Obama irgendwie so hohl klingen,
wenn er heute Visionäres zu verkünden sucht. Man hat das beklemmende
Gefühl, der mächtigste Mann der Welt will noch etwas Großes leisten,
eine Tat für die Geschichtsbücher. Aber er weiß nicht recht, welche
das sein könnte.



Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2621


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