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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zum Thema: Noch 100 Tage bis zur Bundestagswahl

Geschrieben am 16-06-2013

Regensburg (ots) - Tränen gestern bei der SPD, die sich mit dem
Mute der Verzweiflung gegen eine Wahlniederlage, miserable
Umfragewerte, interne Reibereien und böse Presse stemmt. Eine Linke,
die mit einem Freibier-für-alle-Programm erstaunlich geschlossen auf
Stimmenfang zieht. Sowie fast schon beängstigend stabile Grüne. Das
ist die Ausgangslage für die heiße Phase des Wahlkampfs. Knapp 100
Tage vor der Bundestagswahl versucht die Opposition jetzt
gewissermaßen einen Neustart, um der schier übermächtigen Kanzlerin
und ihrer Union vielleicht doch noch Paroli bieten zu können. Die
Erfolgsaussichten für den verzweifelten Aufholkampf von SPD, Grünen
und Linken indes sind nicht rosig. Die Sozialdemokraten und ihr
bislang glückloser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben es auf dem
sonntäglichen Konvent in Berlin zum ersten Mal menscheln lassen. Dass
dem Kandidaten bei den Worten seiner Frau die Tränen kamen, war
allerdings nicht inszeniert und nicht gespielt. Steinbrück, den viele
Medien gern als kaltes, bisweilen arrogantes Nordlicht mit
Raffke-Mentalität darstellen, hat auch eine weiche Seite. Der Mann
reibt sich an einer Aufgabe auf, die weder Parteichef Sigmar Gabriel
noch der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier übernehmen
wollten. Steinbrück hat den Kandidatenjob offenbar mehr aus
Pflichtgefühl angetreten und weniger, um das eigene Ego zu bedienen.
Schmähungen in der Presse setzen Steinbrück mehr zu, als er zugeben
mag. Freilich gilt auch: Niemand wird aus purem Mitgefühl zum Kanzler
gewählt. Wenngleich ein etwas fairerer Umgang mit allen Kandidaten
nicht schaden kann. Das gilt für die Medien genauso wie für die
politische Konkurrenz. Bei den Grünen liegen die Dinge etwas anders.
Sie haben sich nach der Urwahl ihrer Spitzenkandidaten, der
ostdeusch-bürgerbewegt-protestantischen Kathrin Göring-Eckardt und
des Haudrauf-Politikers Jürgen Trittin, nahezu unbemerkt
stabilisiert. Sie geben sich als aufgeklärte bürgerliche Kraft, die
den Liberalen den Ruf als Rechtstaatspartei streitig machen möchte.
Die linken Sponti-Jahre haben sie längst abgelegt. Freilich bekennen
sich die Grünen zu einem rot-grünen Regierungs- und Politikwechsel.
Doch wegen der Schwäche der SPD könnte das ein Traum bleiben. Anders
als 1998, als es eine Bewegung gegen Langzeit-Kanzler Helmut Kohl
gab, existiert 2013 keine Contra-Merkel-Wechselstimmung. Wieder
anders die Lage bei der dritten Oppositionskraft im Bundestag, den
Linken. Die einstige Gysi-Lafontaine-Partei hat am Wochenende in
Dresden erstaunlich diszipliniert ihr Wahlprogramm verabschiedet.
Nach dem "Gewitterparteitag" von Göttingen vor Jahresfrist, wo das
Auseinanderbrechen drohte, haben sich die linken Genossen nun
offenbar zum gegenseitigen Still- und Aushalten verpflichtet. Einig
ist man sich bei ganz Links auch darin, beim populistischen
Wettbewerb ganz vorn zu marschieren nach dem Motto: Wer bietet mehr
Soziales? Dicht gefolgt übrigens von SPD, Grünen und Union. Im
Unterschied zur politischen Konkurrenz allerdings ist die Linke gar
nicht scharf darauf, ihr Freibier-für-alle-Programm dem harten
Praxistest in einer Regierungskoalition zu unterziehen. Die Linke ist
sich in der Opposition selbst genug. Die anderen wollen an die Macht.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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