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"Sehr viel mehr konnte nicht schieflaufen ..." ARD-Dokumentation zeigt neue Hintergründe des tödlichen Polizeieinsatzes in Bad Kleinen im Juni 1993

Geschrieben am 14-06-2013

Mainz (ots) - Das Erste sendet am 24. Juni 2013 um 23.30 Uhr unter
dem Titel "Zugriff im Tunnel" eine Dokumentation, die die
Hintergründe des Polizeieinsatzes in Bad Kleinen im Juni 1993 neu
aufrollt. Autor Egmont R. Koch kann sich bei seiner Rekonstruktion
der tragischen Vorgänge am Bahnhof in Bad Kleinen auf eine Reihe
bislang unbekannter Dokumente stützen. Zeitzeugen aus dem
Bundeskriminalamt und aus der GSG 9, die seit dem Desaster in Bad
Kleinen geschwiegen hatten, beziehen nun in dem ARD-Film verblüffend
offen Stellung. Sie geben damit einen Einblick in die geheime Agenda,
die Polizeiführung und Politiker in jenen Wochen verfolgten. Bei der
Aktion vor fast genau 20 Jahren waren der mutmaßliche Terrorist
Wolfgang Grams und der GSG 9-Polizist Michael-Newrzella ums Leben
gekommen.

Ein internes Ablaufprotokoll des Bundeskriminalamtes (BKA) belegt
nun erstmals, mit welchem gewaltigen Aufwand der Zugriff in Bad
Kleinen geplant worden war. Neben der GSG 9, die für die eigentliche
Verhaftung zuständig war, hatte das BKA insgesamt fast 100 Beamte vor
Ort. Ein Aufwand, über den Insider heute den Kopf schütteln. "Ein
Einsatz mit 99 Leuten für die Festnahme von zweien, die nicht wissen,
dass sie festgenommen werden sollen, das ist irrational! Für mich
unvorstellbar!", urteilt Wolfgang Steinke, damals Abteilungspräsident
im Bundeskriminalamt. Und fährt fort: "Sehr viel mehr konnte nicht
schieflaufen: Wir hatten doch noch nie einen Fall einer Festnahme
eines Terroristen, den wir selbst organisiert hatten. Das war der
erste Fall, und den mussten wir natürlich versieben!"

Auf das polizeiliche folgte im Sommer 1993 das politische
Desaster. Weil der Verdacht aufkam, Wolfgang Grams könne am Bahnhof
von Bad Kleinen von der GSG 9 regelrecht exekutiert worden sein, sah
sich Bundesinnenminister Rudolf Seiters zum Rücktritt gezwungen.
Generalbundesanwalt Alexander von Stahl wurde entlassen. "Ein
Bauernopfer" - so sieht er es heute. Die damalige
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger habe das Desaster
von Bad Kleinen benutzt, um ihn "über die Klinge springen lassen".
Von Stahl heute: "Unser Verhältnis war nicht das allerbeste, so dass
sie froh war, jemanden los zu werden, der seinen eigenen Kopf hatte."

Handfeste Konflikte gab es im Hintergrund auch zwischen den
Sicherheitsbehörden über die Offenlegung des V-Manns Klaus Steinmetz.
Dass Steinmetz bei der Polizeiaktion in Bad Kleinen vor Ort war,
wollte der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz vertuschen - auch
gegenüber dem Parlament. Hans-Ludwig Zachert, damals Präsident des
Bundeskriminalamtes, sagt im ARD-Film: "Wir hatten die strikte
Weisung, dass der dritte Mann (i.e. Steinmetz) nicht erwähnt wird.
Denn der sollte ja wieder in die Szene rein." Und konstatiert: "Es
war einfach eine Lüge."

Dass überdies der Verfassungsschutz mit Klaus Steinmetz einen
V-Mann hatte, der viel tiefer in RAF-Strukturen eingebunden war als
bislang bekannt und rechtlich zulässig ist, hält der ehemalige
BKA-Chef für wahrscheinlich: "Ich bin überzeugt, dass Steinmetz einen
Status in der Richtung hatte, ein RAF-Kommandomitglied zu sein oder
zu werden." Der Verfassungsschutz hätte viele Erkenntnisse über
seinen V-Mann zurückgehalten: "Ich gehe davon aus, dass wir nur 60
Prozent des Gesamtwissens überstellt bekommen haben." Die damaligen
Akteure des Verfassungsschutzes in Rheinland-Pfalz wollen sich zu
V-Mann Steinmetz heute nicht mehr äußern.

Das Agieren der Einsatzkräfte beim Zugriff vor Ort in Bad Kleinen
trug übrigens teilweise skurrile Züge. Um eine Ferienwohnung, in dem
sich die RAF-Terroristin Birgit Hogefeld gemeinsam mit V-Mann
Steinmetz eingemietet hatte, aus der Nähe unbemerkt beobachten zu
können, räumte das BKA ein Haus in der Nachbarschaft mit einem Trick.
Einige Beamte des BKA inszenierten sich als Fernsehteam der Rudi
Carrell-Show und überraschten die Bewohner mit einer Urlaubsreise,
die allerdings sofort angetreten werden müsste. So zogen die Bewohner
für einige Tage aus - und die Beschatter des BKA zogen ein.

Zugriff im Tunnel - Das tödliche Drama von Bad Kleinen Ein Film
von Egmont R. Koch im Auftrag von SWR und NDR Montag, 24. Juni 2013,
23.30 Uhr im Ersten

Die Dokumentation ist in den Presseportalen von Das Erste und SWR
für akkreditierte Journalisten abrufbar. Fotos zum Herunterladen
unter ARD-Foto.de.

Pressekontakt: Heike Rossel, Tel. 06131/929-33272,
heike.rossel@swr.de sowie Iris Bents, Tel. 040/4156-2304,
i.bents@ndr.de


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