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Endlagersuche: Stolperstein Castor-Stopp

Geschrieben am 06-06-2013

Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe warnt Bundesumweltminister
Peter Altmaier vor wahltaktisch motivierten Entscheidungen bei der
Frage des Atommüll-Rücktransports

Der angekündigte Stopp von Castor-Transporten nach Gorleben droht
immer mehr zum Stolperstein für das Standortauswahlgesetz zu werden,
das CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam in
Bundestag und Bundesrat verabschieden wollen. Schuld daran ist vor
allem die anhaltende Weigerung der Landesregierungen von Hessen und
Bayern, künftig einen Teil der noch ausstehenden Castor-Behälter aus
der Wiederaufarbeitung in Frankreich und England in Zwischenlagern an
den Standorten der Atomkraftwerke ihrer Bundesländer aufzunehmen. Vor
der offiziellen Anhörung im Bundestag am kommenden Montag (10. Juni)
hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) insbesondere
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) davor gewarnt, in diesem
Zusammenhang parteitaktische Erwägungen über die Sicherheit der
Bevölkerung und den Konsens bei der Endlagersuche zu stellen.

"Es wäre unverantwortlich, wenn ein Gesetz für einen
ergebnisoffenen und wissenschaftsbasierten Neustart der Endlagersuche
daran scheitert, dass die schwarz-gelben Regierungen in Bayern und
Hessen um ihre Macht bangen", sagte die Leiterin Klimaschutz und
Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm. Sie erinnerte daran, dass
CDU/CSU und FDP über Jahrzehnte den Einsatz der Atomenergie -
insbesondere in den von ihnen regierten Bundesländern - verteidigt
und von der vergleichsweise günstigen Stromproduktion profitiert
hatten. Ziehm: "Jetzt, wo es um eine faire Lastenverteilung bei der
Bewältigung der Folgen dieser Hochrisikotechnologie geht, schlagen
sie sich in die Büsche."

Dies sei umso weniger akzeptabel als der hessische
Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) noch vor zweieinhalb Jahren
ganz andere Töne angeschlagen habe. Am 19. November 2010 sagte
Bouffier in der ZDF-Sendung "Drehscheibe Deutschland", das Land
Niedersachsen könne die Endlagerlasten nicht allein tragen. Vielmehr
gebiete die Solidarität unter den Bundesländern, dass auch Hessen
Aufgaben übernehme. Bouffier wörtlich: "Wenn ein Zwischenlager
gesucht wird, können wir als Hessen nicht von vornherein sagen,
überall, aber nicht bei uns." Der einzige Unterschied zwischen
Bouffiers Solidarität damals und seiner Hartleibigkeit heute: 2010
regierte in Hannover noch Parteifreund David McAllister, jetzt der
Sozialdemokrat Stephan Weil.

Der als vertrauensbildende Maßnahme gedachte Castor-Stopp nach
Gorleben spielt im Entwurf für ein Standortauswahlgesetz (StandAG),
das als Artikelgesetz gefasst ist, bisher bezeichnenderweise keine
Rolle. Eine verbindliche Regelung in dieser Frage gilt jedoch als
Voraussetzung dafür, dass das Gesetz verabschiedet werden kann.
Einzig Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg - beide rot-grün bzw.
grün-rot regiert - haben ihre Bereitschaft erklärt, ausstehende
Castor-Rücktransporte aus La Hague und Sellafield aufzunehmen.

Nach Recherchen der DUH drängt sich eine Lastenteilung zwischen
norddeutschen und süddeutschen Bundesländern auch vor dem Hintergrund
der zur Verfügung stehenden Lagerkapazitäten auf. Aus einer von der
Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation zusammengestellten Tabelle
der verfügbaren Zwischenlager-Stellplätze für Castor-Behälter geht
hervor, dass eine Zwischenlagerung der 26 noch aus La Hague und
Sellafield zurückzuführenden Behälter allein in Norddeutschland nicht
zu bewältigen sein dürfte. In Brunsbüttel, das als Standort in
Schleswig-Holstein favorisiert wird, wäre zwar grundsätzlich Platz
genug. Doch wegen einer vom ehemaligen Betreiber des AKW Vattenfall
bereits beantragten Umrüstung aus Gründen des Terrorschutzes bleiben
möglicherweise nur 14 oder noch weniger der Stellplätze verfügbar.
Das AKW Unterweser liegt in Niedersachsen, das schon die Probleme mit
dem so genannten "Forschungslager Asse", dem bereits genehmigten
Endlager Konrad und Gorleben zu bewältigen hat und nicht noch weitere
Endlagerlasten tragen soll. Im Zwischenlager Nord Lubmin (ZNL) bei
Greifswald, in dem die strahlende Hinterlassenschaft der DDR eine
vorläufige Ruhestätte findet, sind bereits 74 der 80 genehmigten
Stellplätze belegt. Außerdem ist es das einzige Zwischenlager in
Deutschland, das mit der Atomstromproduktion der alten Bundesrepublik
nichts zu tun hat. Altmaier hat das ZLN in einem Brief vom 8. April
2013 an seinen schleswig-holsteinischen Amtskollegen Robert Habeck
(Bündnis 90 / Die Grünen) quasi selbst aus dem Spiel genommen: Vor
der Genehmigung neuer Stellplätze müssten in Lubmin "umfangreiche
Härtungsmaßnahmen durchgeführt", außerdem könne die Eignung des
Hafens nicht beurteilt werden. Wie lange es brauche, bis die Fragen
zu klären seien, sei "derzeit nicht abschätzbar", schrieb Altmaier.

Ziehm warnte davor, die mögliche "Einigung in der Endlagerfrage
zugunsten parteitaktischer Erwägungen zu opfern". Eine faire
Lastenverteilung bedeute, dass "auch diejenigen sich beteiligen, die
immer für die Produktion von Atomstrom und Atommüll gekämpft und
nicht nur die, die dies über Jahrzehnte abgelehnt haben".

Die Umwelthilfe präzisierte heute in Berlin noch einmal ihre
Kritik an einer Reihe von Bestimmungen im Entwurf des
Standortauswahlgesetzes, die DUH-Bundesgeschäftsführer Michael
Spielmann bereits am vergangenen Wochenende im Rahmen des "Forum
Endlagersuche" des BMU vorgetragen hatte. Insbesondere fordert die
Umweltorganisation, ein Verbot des Exports von Atommüll zum Zweck der
Endlagerung im StandAG festzuschreiben. "Alle Bundestagsparteien
haben glaubhaft versichert, keinen Atommüll exportieren zu wollen.
Dann sollte das jetzt auch ins Gesetz geschrieben und nicht einer
künftigen Bundesregierung überlassen werden", sagte der Leiter
Politik und Presse der DUH, Gerd Rosenkranz. Zuletzt hatte Altmaier
eine entsprechende Klarstellung lediglich im Rahmen einer weiteren
Novelle des Atomgesetzes in Aussicht gestellt. Rosenkranz: "Wer in
dieser Schicksalsfrage Vertrauen schaffen will, muss handeln, nicht
nur ankündigen."

Zur Vertrauensbildung müsse außerdem die Unabhängigkeit der
geplanten Bund-Länder-Kommission, die das Standortauswahlgesetz
evaluieren und Vorschläge für Verbesserungen erarbeiten soll,
sichergestellt werden. Konkret gehe es darum, dass die Kommission
ihre Öffentlichkeitsarbeit eigenverantwortlich organisiere und dafür
nicht, wie derzeit geplant, auf das im Gesetzentwurf vorgesehene neue
Bundesamt für kerntechnische Entsorgung angewiesen sei. Entscheidend
für einen Erfolg des Neustarts sei auch, dass die Kommission
prinzipiell für alle Bestimmungen des Gesetzes abweichende
Handlungsempfehlungen erarbeiten könne, ohne dass zuvor bereits
Fakten geschaffen werden. Das gelte insbesondere auch im Hinblick auf
die Organisations- und Prozessstruktur für das
Standortauswahlverfahren. Sollte die Kommission in ihrem
Abschlussbericht zu dem Ergebnis kommen, dass es für die Durchführung
der Endlagersuche der Schaffung einer eigenen Behörde bedarf, könnte
diese im Anschluss eingerichtet werden. "Im aktuellen Gesetzentwurf
ist nicht erkennbar, welche Aufgaben das neue Amt neben der Steuerung
der Öffentlichkeitsarbeit der Kommission bis zur Novelle des Gesetzes
eigentlich konkret wahrnehmen soll", sagte Rosenkranz. Diese könne
jedoch frühestens 2017 verabschiedet werde. Es sei deshalb schon ein
Gebot der sparsamen Haushaltsführung, eine Bundesbehörde erst dann zu
schaffen, wenn sie gebraucht werde und nicht schon Jahre im Voraus.

Eine Karte und eine ausführliche Übersicht zu den verfügbaren
Castor-Stellplätzen in deutschen Zwischenlagern und den
Transportwegen finden Sie unter http://l.duh.de/j5wc0.



Pressekontakt:
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende
Tel. 030 2400867-0, Mobil: 0160 94182496, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse
Tel. 0302400867-0, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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