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DER STANDARD-KOMMENTAR "Debakel der EU-Außenpolitik" von Thomas Mayer

Geschrieben am 28-05-2013

Nach zwei Jahren gemeinsamer Syrien-Politik haben die Briten
das Kommando - Ausgabe vom 29.5.2013

Wien (ots) - Für einen kurzen Moment stand die gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik der EU bei den Syrien-Verhandlungen der 27
Außenminister in der Nacht auf Dienstag vor einer echten Wende: weg
von der bisher defensiven Rolle, die auf politische Vermittlung
setzt, hin zu einer Position, die mit einer deutlichen
Militarisierung und Drohung in bewaffneten Konflikten verbunden ist.
Auf dem Tisch lag folgender Vorschlag: Die 27 beschließen einstimmig
- mit Zustimmung des neutralen Österreich - eine Verlängerung der
bisherigen Sanktionen mitsamt der Abänderung, dass Waffenlieferungen
an die Aufständischen unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden -
mit EU-Stempel sozusagen. Diese (prinzipiell also genehmigte)
Aufhebung des Waffenembargos zugunsten der Rebellen sollte aber
gleich wieder für zwei Monate ausgesetzt werden, um die Ergebnisse
der Friedenskonferenz von Genf abzuwarten. Spätestens am 1. August
wäre über die Implementierung erneut abgestimmt worden. Bis zu diesem
Zeitpunkt standen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber:
Großbritannien forderte mit Frankreich, dass die EU-Genehmigung
solcher Waffenlieferungen sofort in Kraft treten müsse, um den Druck
auf Präsident Assad zu erhöhen. Auf der anderen Seite stand eine
Gruppe kleiner Staaten mit Österreich und Tschechien, die das absolut
ablehnte, weil solche Lieferungen in Kriegsgebiete oder an (mögliche)
Terroristen in der EU tabu waren - zumindest bisher. Mit dieser
"dritten Option" hofften Diplomaten, die Gegensätze zu überbrücken -
und gleichzeitig sicherheitspolitisch die Tür für eine neue Dimension
aufzustoßen. Denn im Gegensatz zum Verhalten bei bisherigen
Konflikten wie Libyen oder Mali hätte die EU erstmals als Union,
nicht nur als loses Bündnis von Staaten, Partei in einem Bürgerkrieg
ergriffen. Bei Libyen handelte es sich 2011 um eine internationale
Militäraktion einzelner EU-Staaten mit UN-Mandat. In Mali griff
Frankreich an der EU vorbei auf Basis eines UN-Beschlusses ein. Der
Fall Syrien wäre damit spätestens im Sommer - zwei Monate vor der
Wahl - wohl zur Nagelprobe für Österreich in Sachen Neutralität
geworden. Scheitern die Friedensgespräche in Genf, hätte Wien kaum
noch Argumente für ein Veto gegen die EU-Erlaubnis von
Waffenlieferungen durch Partnerstaaten. Geradezu sensationell war
daher die Aussage von Außenminister Michael Spindelegger, dass er
diesem Kompromiss zugestimmt hätte. Wien hätte seine
neutralitätspolitische Unschuld verloren. Es bleibt eine offene
Frage, ob die Kanzlerpartei SPÖ das mitgetragen hätte. Aber dazu kam
es nicht, weil der britische Außenminister William Hague - sein
französischer Kollege Laurent Fabius war da bereits nach Paris
abgereist - jedes Zugeständnis an die "Tauben" in der Union ablehnte.
Über die Motive kann man nur rätseln, er führte sie nicht an. Aber es
war offensichtlich, dass den Briten wie den Franzosen als Atom- und
UN-Vetomächten die Wahrung des eigenen politischen Spielraums
wichtiger ist als eine einige EU-Außenpolitik. Die erlebte bei Syrien
ein Desaster, sosehr sich manche auch bemühten, die Aufrechterhaltung
der Sanktionen gegen Assad als Erfolg zu verkaufen. Die standen nicht
zur Disposition. Die EU erwies sich im Verhältnis zu den USA,
Russland und China als sicherheitspolitisches Leichtgewicht. Vor ihr
muss Assad sich nicht fürchten.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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