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Lausitzer Rundschau: Auf Gedeih und Verderb - Die Grünen verabschieden ihr Wahlprogramm

Geschrieben am 28-04-2013

Cottbus (ots) - Die Grünen sind eine disziplinierte Partei. Mit
viel Fleiß und Akribie hat sie sich drei Tage lang an ihrem
Wahlprogramm abgearbeitet. Sicher, der beharrliche Kampf um Silben,
Sätze und Spiegelstriche ist ein linkes Markenzeichen. Aber im
Gegensatz zur Linkspartei, die am Ende nur Recht behalten will,
möchten die Grünen endlich wieder mitregieren. Deshalb war der
Parteitag in Berlin auch reich an Mahnungen, bei aller Sehnsucht nach
mehr Gerechtigkeit nicht in einen Rausch überzogener Forderungen zu
verfallen. Da werden Erinnerungen wach. Man denke nur an ihren
Fünf-Mark-Beschluss für den Liter Benzin, der die Grünen vor nunmehr
15Jahren fast in den politischen Abgrund getrieben hätte. Von
solchen Ungeheuerlichkeiten ist die Partei heute ziemlich weit
entfernt. Auch deshalb, weil sich der Erregungs-Maßstab für
politische Provokationen verändert hat. Die Gesellschaft, vor allem
ihre viel beschworene Mitte, ist eher nach links gerückt - nicht
zuletzt dank grüner Politik. Nur so lässt sich auch erklären, dass
die Partei ihren potenziellen Wählern jetzt einiges zumuten will.
Anhebung des Spitzensteuersatzes, Abschaffung des
Ehegattensplittings, Rückkehr zur Individualsteuer auf
Kapitalerträge. Das und noch viel mehr sind Maßnahmen zu Lasten von
Besserverdienern. Und die machen bekanntlich vorzugsweise ihr
Kreuzchen bei den Grünen. Allein, es spricht wenig dafür, dass sich
an ihrer grünen Vorliebe nach diesem Parteitag etwas ändern könnte.
Wenn es dem sozialen Frieden dient, dann sind Grünen-Wähler zumindest
nach einschlägigen demoskopischen Erhebungen auch bereit, tiefer in
die Tasche zu greifen. Umverteilung ist für sie nicht unbedingt ein
Schreckgespenst. An den Grünen sollte ein Regierungswechsel im Herbst
in Berlin also am wenigsten scheitern. Das Problem sind die
Sozialdemokraten. Was nützen die schönsten programmatischen
Gemeinsamkeiten mit den Genossen, wenn die SPD am Ende nicht genügend
Stimmen für eine rot-grüne Koalition auf die Waage bringt? Genau
danach sieht es derzeit aus. Bei den Grünen stöhnt man auch über
einen tollpatschigen Kanzlerkandidaten Steinbrück und das Unvermögen
der Sozialdemokraten, die Fülle schwarz-gelber Schwächen in rot-grüne
Stärken zu verwandeln. Trotzdem haben sich die Grünen der SPD auf
Gedeih und Verderb ausgeliefert. Zumindest auf dem Papier. Ganz oben
in ihrem Programm steht das klare Bekenntnis zu einem gemeinsamen
Bündnis nach der Wahl. Ob das wirklich so klug ist, darf bezweifelt
werden. Erstens, weil sich auch die Union nicht gerade nach einer
schwarz-gelben Neuauflage sehnt. CDU/CSU und FDP haben sich in den
letzten vier Jahren schlicht auseinander gelebt. Zweitens, weil es
vom Atomausstieg bis zur Abschaffung der Wehrpflicht längst auch
inhaltliche Berührungspunkte zwischen Union und Grünen gibt. Genau
deshalb haben Grünen-Wähler heute auch weniger Berührungsängste
gegenüber der Union als früher. Und drittens, weil der SPD, ginge
alles schief, immer noch die Möglichkeit bliebe, als Junior-Partner
in eine Große Koalition einzutreten. Warum sollten die Grünen dem
eigentlich tatenlos zusehen? Das alles zusammengenommen ist sicher
noch kein zwingender Grund für eine schwarz-grüne Koalition. Aber
Demokratie lebt nicht von politischer Ausschließeritis, sondern durch
pragmatisches politisches Handeln. Ein Schwenk der Grünen zur Union
für den Fall, dass es am Wahlabend zu Rot-Grün rechnerisch nicht
reicht, wäre vielleicht die provokanteste Zumutung seit ihrem
Fünf-Mark-Beschluss vor 15Jahren. Aber untergegangen ist die
Partei deshalb nicht. Ganz im Gegenteil. Sie hat sich wie kaum eine
andere berappelt.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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