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DER STANDARD-Kommentar: "Gute und schlechte EU-Wanderer" von Thomas Mayer

Geschrieben am 25-04-2013

"Deutschland, Schweiz, Österreich reagieren auf Probleme mit
Abschottungsreflex"; Ausgabe vom 26. 4. 2013

Wien (ots) - Die Schweiz hat ein Problem: Die Wirtschaft läuft
gerade nicht so gut. Und die im Schnitt wohlhabenden Bürger kommen
bei Löhnen und Arbeitsplätzen unter Druck. Die Unzufriedenheit
wächst, die Schuldigen sind rasch ausgemacht: Ausländer. Konkret aber
gar nicht die "Bösen", die Kriminellen gar, nein, normale tüchtige
Arbeiter, Fachkräfte, Ärzte aus allen EU-Ländern, die seit Jahren auf
den Arbeitsmarkt strömen, mit dem starken Franken großartig
verdienen, brav Steuern zahlen. Die Folge: Die Regierung in Bern
beginnt, das eben erst Richtung EU weit geöffnete Land wieder leicht
abzuschotten. Die Zuwanderungskontingente für EU-Ausländer werden
vertragsgemäß etwas reduziert. Auch Deutschland hat ein Problem: Die
Wirtschaft läuft im Vergleich mit den EU-Partnern hervorragend. Die
Arbeitslosigkeit ist - wie in Österreich - sehr niedrig. Aber viele
Leute sind unter (Arbeits-)Druck, skeptisch wegen der Eurohilfen. Und
in einigen Städten und Gemeinden vor allem in Norddeutschland ist es
offensichtlich einfach, an Sozialleistungen zu kommen, obwohl die
Auszahlungsberechtigung etwas zweifelhaft ist. "Sozialbetrug" gibt es
zwar auf allen Ebenen, bei In- und Ausländern. Aber es ist Wahlkampf.
Einer breiten Öffentlichkeit vorführbare Schuldige sind rasch
ausgemacht: Roma-Familien aus Rumänien und Bulgarien, die sich in
Deutschland niederlassen. Die Folge: Die Regierung in Berlin, konkret
der Innenminister, wird aktiv. Er überredet Kollegen aus drei Ländern
zum Mitmachen, verlangt von der EU-Kommission in Brüssel, sie solle
neue EU-Regeln für Ausweisung und Einreiseverbote in Fällen von
"Sozialmissbrauch" vorschlagen. Des Innenministers Ziel ist ähnlich
dem der Schweiz. Hans-Peter Friedrich will sein Land abschotten vor
jenen Menschen, die der deutschen Bevölkerung angeblich Probleme
machen. Offenbar ist es ein nie endender Reflex von Machtpolitik, in
Zeiten der Krise von eigenen ungelösten Schwierigkeiten abzulenken
und nach Sündenböcken zu suchen - in der Schweiz wie in Deutschland
oder Österreich. Aber an diesem Punkt endet auch schon jede
Ähnlichkeit zwischen diesen Anlassfällen. Denn kann man bei den
Eidgenossen ökonomisch und sozial noch nachvollziehen, warum sie bei
Aufenthaltsbewilligungen (befristet) bremsen wollen, so ist der
Aktion des deutschen Innenministers eine gewisse Niedertracht nicht
fern. Seine Forderungen beziehen sich nicht auf Maßnahmen gegen
Sozialmissbrauch als solchen, wobei im föderalen Deutschland vor
allem die Kommunen und Länder gefordert wären. Den könnten er und die
Bundesländer ja "inländisch" leicht abstellen. Er zielt stattdessen
via Brüssel punktgenau auf Sinti und Roma, die aufgrund der neuen
EU-Freiheiten vermehrt nach Deutschland kommen. Nebenbei soll die
anstehende Schengenerweiterung verhindert werden. Es passt ins Bild,
dass Friedrich es nicht wagt, den Namen dieser seit je
diskriminierten Volksgruppe offiziell anzusprechen. Aber es ist
völlig klar, dass er dasselbe will, was Nicolas Sarkozy als Präsident
vor drei Jahren in Frankreich versuchte: die fahrenden Roma aus dem
Land rauswerfen, ganz pauschal. Gut dass die EU-Kommission nach
Sarkozy auch dem Deutschen in die Parade fährt; dass sie scharf
trennt zwischen EU-Rechten, die prinzipiell für alle Bürger gelten,
und Missbrauch. Diesen begehen immer nur wenige.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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