(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Zypernhilfe

Geschrieben am 18-04-2013

Bielefeld (ots) - Der Bundestag hat mit breiter Mehrheit der
Zypernhilfe zugestimmt - und einen weiteren Wechsel auf Europas
ungewisse Zukunft ausgestellt. Dabei kann nichts und niemand die nur
ihrem Gewissen verantwortlichen Abgeordneten daran hindern, auch
einmal Nein zu sagen. Mehr noch: Gemäß dem Europäischen
Stabilitätsmechanismus ESM gibt es nur dann Finanzhilfen, wenn die
Krise eines Landes auf andere überzuspringen droht. Artikel 12 des
ESM-Vertrags sagt in seltener Klarheit, die Hilfe müsse »zur Wahrung
der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner
Mitgliedstaaten unabdingbar« sein. Die drohende Pleite eines
Zwergstaates reicht zur Begründung nicht aus. Und das unterscheidet
diese Abstimmung von Fällen wie Irland, Griechenland und Portugal.
Längst droht die Entwicklung zu einer Systematik zu werden, andere
sagen: aus dem Ruder zu laufen. Zypern also die kalte Schulter
zeigen? Diesmal ja, denn der Vertrag über die Arbeitsweise der EU
bewertet die Insolvenz eines Mitglieds als dessen ureigenes Problem.
Der in Berlin von vielen Fraktionen geschätzte Staatsrechtler
Dietrich Murswiek bewertet in der »Süddeutschen Zeitung« diese
Vertragspassage noch weitgehender. Hilfe sei im Sinne der
Ultima-Ratio-Konzeption nur erlaubt, wenn die Insolvenz die
Finanzstabilität einer größeren Zahl von Mitgliedstaaten erschüttern
würde. Es genüge eben nicht, dass neben dem primär betroffenen Zypern
auch Griechenland beschädigt zu werden drohe. Die Eigenschaft
»unabdingbar« sei sehr viel strenger als das übliche »erforderlich«.
Hart, aber zweifellos richtig: Verlöre Zypern den Euro, Resteuropa
würde das kaum merken. Es gibt nur einen Grund für die breite
Zustimmung zur Zypernhilfe im Bundestag: Die Regierungsparteien - mit
Ausnahme der 20 Abweichler - und weite Teile von SPD und Grünen haben
eine politische Entscheidung getroffen und die Rechtsfrage einfach
ausgeblendet. Sie wollten um jeden Preis helfen, statt ihren eigenen
Verträgen zu folgen. »Wir lassen kein Euro-Land zurück«, soll das
Signal lauten. Gut gemeint, aber verheerend in der Wirkung. Denn zum
wiederholten Mal lernen Schuldensünder: schlabbern macht nichts.
Außerdem hat sich das Parlament entgegen den Maßgaben des
Bundesverfassungsgerichts einmal mehr in eine
Friss-oder-stirb-Situation drängen lassen. Auch das musste nicht
sein. Die Zypern-Entscheidung ist Wasser auf die Mühlen der
»Alternative für Deutschland«. Bis zum 22. September weiß niemand,
wie gefährlich die neue Partei wirklich ist. Aber jede vermeintliche
Rettung eines Euro-Landes stärkt nicht allein das Ansehen Angela
Merkels über das Unionslager hinaus. Zugleich wird eine zwar
kleinere, aber gleichwohl wachsende Zahl von Euro-Gegnern und
bisherigen Nichtwählern in die noch außerparlamentarische Opposition
getrieben.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

459123

weitere Artikel:
  • Westdeutsche Zeitung: Der Bundestag hat die Frauenquote abgeschmettert = von Peter Lausmann Düsseldorf (ots) - Herrscht jetzt wieder Ruhe? Ist das Thema Frauenquote für Merkel und die schwarz-gelbe Koalition erst einmal befriedet und abgehakt? Hoffentlich nicht. Denn die hitzige Debatte im Bundestag hat deutlich gezeigt, dass mit der Abstimmung in Sachen Frauenquote weder eine Lösung gefunden, noch ein Kompromiss erzielt, noch irgendeine Basis gelegt wurde, auf der man aufbauen könnte. Vielmehr haben die Kehrtwenden, Absprachen und taktischen Winkelzüge der Parteien in dieser Woche gezeigt, mit welchen Instrumenten mehr...

  • DER STANDARD-Kommentar: "Im Lustschauer des Alarmismus" von Christoph Prantner "In den USA geben Terroristen, Freaks und Fundamentalisten die Politik vor"; Ausgabe vom 19.04.2013 Wien (ots) - Es ist ein weites Feld aus Angst und Schrecken, das dieser Tage in den Vereinigten Staaten von Amerika zur Bestellung steht. Verschwörungstheorien, Verfolgungsfantasien und echte Bedrohungen schießen dort ins Kraut - wild durcheinander und kaum auseinanderzuhalten. Es gab die Bomben von Boston, tödliche Giftbriefe an Politiker, eine Feuersbrunst nahe Waco. Ob nun terroristische Energie dahintersteckt, dunkle Erinnerungen mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zum POLIZISTENMORD Ulm (ots) - Statistisch gesehen haben Mörder denkbar schlechte Karten: 95 Prozent aller Fälle werden aufgeklärt. Wer in aller Öffentlichkeit am helllichten Tag auf Polizisten schießt und den Opfern auch noch in Ruhe Dienstwaffen und Handschellen abnimmt, sollte also nicht damit rechnen, davonzukommen. Eigentlich. Dennoch blieben die Mörder der 22-jährigen Michèle Kiesewetter lange unentdeckt. Allein das dokumentiert bereits das Versagen der Ermittler in diesem Fall. Es ist noch immer unerklärlich. Die Kritik, die nun aus dem NSU-Ausschuss mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu USA/Waffenrecht Stuttgart (ots) - Präsident Barack Obama, der sich - wie eine Mehrheit der Amerikaner auch - vehement für schärfere Waffengesetze starkmachte, hat eine schwere politische Niederlage erlitten. Er wird es verkraften. Schlimmer ist, dass die meisten Republikaner, aber auch einige Demokraten, im Senat schlicht zu feige waren, es mit den mächtigen Waffenlobbyisten aufzunehmen. Diesen Abgeordneten war es wichtiger, für ihre Wiederwahlpläne die Unterstützung der Waffenfetischisten zu haben, als dem gesunden Menschenverstand zu folgen. mehr...

  • Stuttgarter Zeitung: Kommentar zum Protest gegen den Nationalpark Nordschwarzwald Stuttgart (ots) - Warum all diese Wut, dieser Hass? Diese Fragen stellen sich viele Besucher nach dem turbulenten Abend in der Baiersbronner Schwarzwaldhalle. Dass bei der Vorstellung des Nationalpark-Gutachtens die Gegner massiv auftreten und ihren Unmut kundtun werden, das war erwartet worden. Sargträger, Gedichte, Plakate, dürre Fichten, ja Buhrufe und Pfiffe - all das gehört zum Protest. Das muss eine Demokratie auch aushalten. Und erst recht die Grünen müssen das, die einst als Protestpartei begannen und nun in Ämtern und Regierungsverantwortung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht