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"DER STANDARD"-Kommentar: "A steht nicht für Armutschkerl" von Gerald John

Geschrieben am 10-04-2013

Trotz Vermögensstudie: Die Österreicher sind nicht ärmer dran
als die Südländer - Ausgabe vom 11.4.2013

Wien (ots) - Es ist eine der vielen Anekdoten, die von Bruno
Kreisky überliefert sind. "Hören Sie, junger Mann", soll der
legendäre Kanzler einen Wissenschafter, der ihm eine Vermögensstudie
präsentierte, angebrummt haben: "Da kenn ich persönlich ja mehr
Millionäre, als Sie hier ausweisen." Das Bonmot des "Alten" kann man
getrost bis heute gelten lassen. Auch die brandneue Studie der
Europäischen Zentralbank (EZB) unterschätzt trotz beispiellosen
Aufwands zweifellos all den Wohlstand, der sich in der Oberschicht
zusammenballt. Schließlich scheuen sich Superreiche als Allererste,
in derartigen Befragungen sämtliche Karten aufzudecken. Die
Ergebnisse sind aber auch so markant genug. Im Euroraum besitzt ein
Fünftel der Haushalte zwei Drittel des Vermögens; die ärmere Hälfte
der Bevölkerung kommt gerade auf sechs Prozent. Dass solche
Schieflagen der Politik Kopfzerbrechen bereiten sollten, sprechen
neuerdings auch Kapazunder aus, die antikapitalistischer Agitation
ebenso unverdächtig sind wie die EZB. Exzessive Ungleichheit
zerfresse Wachstum und Gesellschaft, warnt etwa Christine Lagarde,
Chefin des Internationalen Währungsfonds. Hierzulande geben die
Zahlen der Forscher besonders viel zum Nachdenken auf. Demnach ist
Besitz nur noch in Deutschland ungleicher verteilt, das
Medianvermögen der Haushalte (die eine Hälfte hat mehr, die andere
weniger) liegt weit unter dem Eurodurchschnitt. Sind die Österreicher
also ärmer dran als zum Beispiel Spanier, Italiener oder Griechen?
Das wäre ein Kurzschluss. Erstens verzerren verschiedene Faktoren die
Daten. In südlichen Ländern leben in einem Haushalt mehr Menschen -
mitsamt ihres Vermögens. Weil den Löwenanteil Immobilien ausmachen,
können sich - wie etwa in Spanien - überdies Preisblasen in den
Werten abbilden. Der spätere Absturz ist in der Momentaufnahme wohl
ebenso wenig zur Gänze eingepreist wie andere Krisenfolgen. Zweitens
spiegeln Studien über die Vermögensverteilung nicht wider, wie
gerecht oder ungerecht eine Gesellschaft im Gesamten ist. So hängt
das niedrige Medianeinkommen laut EZB auch mit dem großen Angebot des
sozialen Wohnbaus zusammen - nur in Österreich und Deutschland
besitzt weniger als die Hälfte der Haushalte die eigenen vier Wände.
Die Bürger haben offenbar also weniger privates, sondern - etwa auch
durch ein großzügiges Pensionssystem - mehr öffentliches Vermögen in
einem Sozialstaat angehäuft, der die Schieflage bei Einkommen und
Besitz beträchtlich ausgleicht. Schlechter als die Südländer fahren
Österreicher und Deutsche damit nicht. Am Beispiel Wohnen: Eigentum
bietet zwar größte Sicherheit und Unabhängigkeit, sofern die Schulden
getilgt sind. Gerade in Krisen aber sind soziale Mietwohnungen ein
Rückhalt, der vor Delogierungswellen wie in Spanien schützt. Was
nicht wirklich mit dem Sozialstaat erklärbar ist: In Österreichs
Oberschicht, in der es an Immobilienbesitz natürlich nicht mangelt,
ist Reichtum besonders üppig gesät. Halten die top fünf Prozent im
Euroraum 37,5 Prozent des Vermögens, so sind es hierzulande über 45
Prozent. In diesen Sphären zählen die Österreicher im EZB-Vergleich
auch nicht mehr zu den Armutschkerln, sondern nennen im Gegenteil
überdurchschnittlich hohe Summen ihr Eigen. Eines bietet die Studie
deshalb nicht: Munition gegen eine mit Freibeträgen ausgestattete
Vermögenssteuer.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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