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Pressehinweis - Verhandlung Arbeitsgericht Berlin 19. März 2013 Klage Lohn/Schadenersatz,Indonesische Angestellte im Diplomatenhaushalt

Geschrieben am 14-03-2013

Berlin (ots) -

A. Anlass:

Am 19. März 2013 um 11.30 wird in Raum 214 des Arbeitsgerichts
Berlin, Magdeburger Platz 1 die mündliche Verhandlung in der
arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Frau Ratnasari und
ihrem ehemaligen Arbeitgeber Herrn A., einem ehemaligen Diplomaten
der saudi-arabischen Botschaft stattfinden. Verhandelt wird über die
Klage von Frau Ratnasari auf Zahlung von rund 70.000 Euro Lohn- und
Schmerzensgeld. Frau Ratnasari wird nicht bei dem Termin anwesend
sein.

B. Hintergrund:

1. Sachverhalt

Die indonesische Staatsangehörige, Frau Dewi Ratnasari (Pseudonym)
hat in der Zeit von April 2009 bis Ende Oktober 2010 in dem
Privathaushalt eines Attachés der Saudi-Arabischen Botschaft in
Berlin, dem Diplomaten Herrn A. gearbeitet. Frau Ratnasari wurde nach
ihrer Schilderung in dieser Zeit extrem ausgebeutet, regelmäßig
körperlich misshandelt und gedemütigt. Ihr wurde der Pass abgenommen
und sie durfte das Haus des Attachés nicht ohne Aufsicht verlassen.
Frau Ratnasari war dadurch vollständig isoliert und durfte keinen
Kontakt mit ihrer Familie aufnehmen. Sie war sieben Tage die Woche
für die Versorgung eines siebenköpfigen Haushaltes zuständig, musste
von morgens um 6 Uhr bis zum Teil Mitternacht arbeiten und ohne
Matratze auf dem Boden des Kinderzimmers schlafen.

Vereinbart waren in einem schriftlichen Arbeitsvertrag die
Entgeltzahlung in Höhe von 750 Euro pro Monat für acht Stunden
täglich, freie Unterkunft und Verpflegung sowie ein Monat
Jahresurlaub. Nach 19 Monaten gelang es ihr, mit externer Hilfe aus
der Wohnung von Herrn A. zu fliehen. In der gesamten Zeit hat sie
keinen Lohn erhalten. Ihre Gesamtsituation war geprägt von schweren
Rechtsverletzungen und ist als faktische Sklaverei zu bezeichnen.

2. Rechtsweg - Klage auf Lohn und Schadenersatz

Entscheidung des Arbeitsgerichts Sommer 2011

Frau Ratnasari hat im Juni 2010 eine Klage gegen Herrn A. auf
Zahlung von rund 70.000 Euro Lohn- und Schmerzensgeld vor dem
Arbeitsgericht Berlin erhoben. Das Arbeitsgericht hat nicht über die
Zahlungsansprüche entschieden, sondern die Klage schon als unzulässig
abgewiesen, da Herr A. diplomatische Immunität hatte.

Nach Auffassung der Rechtsauffassung des Gerichts schließt die
Immunität ein gerichtliches Vorgehen gegen Diplomaten aus. Das gilt
unabhängig von der Schwere der Rechtsverletzungen.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Herbst 2011 Das
Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts mit
denselben Gründen bestätigt.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Sommer 2012

Kurz vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die
Frage, ob die Klage zulässig ist, hat Herr A. erklärt, er habe keine
Immunität mehr. Er ist nicht mehr als Diplomat in Deutschland
akkreditiert und bereits ausgereist. Die Deakkreditierung hat zur
Folge, dass ein Diplomat für seine privaten Handlungen keine
Immunität mehr genießt. Dies gilt auch rückwirkend für die Zeit in
der er als Diplomat in Deutschland tätig war. Daher hat das
Bundesarbeitsgericht die Klage an das Arbeitsgericht zur Entscheidung
zurückverwiesen. Dies kann jetzt am 19. März darüber entscheiden, ob
und wie viel Lohn und Schmerzensgeld Frau Ratnasari aus ihrem
Arbeitsverhältnis Jahren 2009/2010 mit Herrn A. zusteht.

C. Einschätzung

Wir bedauern den Verfahrensverlauf aus zwei Gründen:

Erstens, die Parteien des Gerichtsverfahrens sind nicht mehr im
Land. Der Sachverhalt, über den entschieden werden muss, liegt fast 4
Jahre zurück und es ist unwahrscheinlich, dass Frau Ratnasari ihre
Ansprüche durchsetzen kann. Denn sie muss in dem Verfahren beweisen,
wie viele Stunden sie gearbeitet hat, und sie muss beweisen, dass der
Arbeitgeber sie körperlich verletzt hat.

Dies ist ein grundlegendes Problem. Zum einen, weil es generell
schwierig ist im Bereich von Hausarbeit, die Arbeitszeiten
nachzuweisen. Aufgrund des informellen Charakters von Hausarbeit gibt
es häufig wenig Zeugen. Arbeitszeiten und Tätigkeiten werden in der
Regel nicht dokumentiert, wie in anderen Branchen üblich, z.B. über
Stundenzettel auf dem Bau.

Zum anderen ist der Nachweis aber auch schwierig wegen der
Immunität des Arbeitgebers.

Die Immunität verhindert - wie der Fall von Frau Ratnasari zeigt -
ein Gerichtsverfahren in Deutschland solange, wie der Diplomat
akkreditiert ist. Nach der Deakkreditierung ist zwar theoretisch ein
Verfahren in Deutschland möglich, aber in der Regel ist dann eine
lange Zeit vergangen und die Hausangestellten sind nicht mehr im
Land. Sie müssen nach Ende des Arbeitsverhältnisses Deutschland
verlassen, da ihre Aufenthaltserlaubnis an das Arbeitsverhältnis
gekoppelt ist. Endet das Arbeitsverhältnis, endet auch die
Aufenthaltserlaubnis. Ein Wechsel des Arbeitgebers ist
Hausangestellten von Diplomaten aus Drittstaaten nicht erlaubt.

Zweitens ist es nicht gelungen, die hinter dem Fall stehende
Rechtsfrage, ob die diplomatische Immunität in jedem Fall -
unabhängig von der Schwere der Rechtsverletzung - ein
Gerichtsverfahren gegen Diplomaten in Deutschland ausschließt, zu
klären.

Die Entwicklungen in dem Fall haben zur Folge, dass die rechtliche
Lage für Hausangestellte erst mal unverändert bleibt.
Hausangestellten in Diplomatenhaushalten wird das Recht auf
effektiven Rechtsschutz verwehrt.

Daher halten wir es nach wie vor für notwendig, dass die
grundsätzliche Frage nach der Reichweite der diplomatischen Immunität
bei schweren Rechtsverletzungen gerichtlich geklärt wird. Solange das
nicht der Fall ist, kann die Bundesregierung die Rechte von
Hausangestellten aber schützen, indem sie auf bereits bestehende
Praxis in anderen europäischen Ländern zugreift und folgende
Maßnahmen implementiert:

- Die Möglichkeit für Angestellte in Diplomatenhaushalten den
Arbeitgeber zu wechseln. Dies ist auch für Arbeitnehmer_innen aus
Drittstaaten in anderen Branchen zum Teil möglich.

- Hausangestellte müssen ihren Arbeitsvertrag in einer für sie
verständlichen Sprache bekommen.

- Hausangestellte müssen nach ihrer Ankunft in Deutschland
persönlich über ihre Rechte und Beratungsmöglichkeiten in Deutschland
informiert werden.

- Es muss eine unabhängige Beschwerdestelle geben, die über die
Ansprüche von Hausangestellten verhandelt.

D. Beteiligung des Projektes "Zwangsarbeit heute" (Deutsches
Institut für Menschenrechte)

Das Verfahren wird finanziell unterstützt aus dem Rechtshilfefonds
des Projektes "Zwangsarbeit heute" am Deutschen Institut für
Menschenrechte.

Warum unterstützt der Rechtshilfefonds das Verfahren? Bisher
können Hausangestellte von Diplomaten in Deutschland nicht gegen ihre
Arbeitgeber_innen in Deutschland klagen. Die diplomatische Immunität
führt dazu, dass selbst Betroffene von Ausbeutung oder Menschenhandel
trotz umfassender verfassungs- und menschenrechtlicher Garantien auf
Zugang zum Recht, ihre Ansprüche auf Lohn und Schadenersatz nicht
durchsetzen können. Die Immunität gilt unabhängig davon, welche
Vorwürfe den Ansprüchen zugrunde liegen. Selbst in Fällen schwerer
Rechtsverletzungen sind die Betroffenen davon abhängig, ob ihre
Arbeitgeber_innen freiwillig bereit sind, Lohn für geleistete Arbeit
zu zahlen. Die Rechtsverfolgung in den Herkunftsstaaten der
Diplomaten ist oft faktisch unmöglich. Das führt häufig dazu, dass
die Betroffenen nach jahrelanger Arbeit mit leeren Händen dastehen.

Das Projekt wollte mit der Unterstützung des Verfahrens eine
höchstrichterliche Entscheidung über die Frage erwirken, wie
Deutschland Angestellten von Diplomaten effektiven Rechtsschutz
gewährleisten muss vor dem Hintergrund der diplomatischen Immunität.

Das Projekt "Zwangsarbeit heute" http://ots.de/Projekt

Das Projekt "Zwangsarbeit heute" des Deutschen Instituts für
Menschenrechte initiiert Gerichtsverfahren, die Betroffene von
Menschenhandel führen, um ihre Ansprüche auf Lohn und Schadensersatz
durchzusetzen, und unterstützt sie finanziell. Das Projekt wird aus
Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
finanziert.



Pressekontakt:

Bettina Hildebrand, Pressesprecherin
Telefon +49 30 259 359 14,
Mobil +49 160 966 500 83
email: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de


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