(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Gute Führung ist eine Kunst Leitartikel von Hajo Schumacher über Macht, die Manager und Politiker dieser Zeit und den öffentlichen Druck.

Geschrieben am 03-03-2013

Berlin (ots) - Was haben der abgetretene Papst Benedikt und
Telekom-Chef René Obermann, was WDR-Intendantin Monika Piel und die
frühere Ober-Piratin Marina Weisband gemeinsam? Was vereint
Linde-Boss Wolfgang Reitzle und FDP-Anführer Philipp Rösler? Alle
gaben oder geben ihren Führungsposten auf, freiwillig, meist
überraschend, ohne größere Not. Sie verzichten auf Ruhm und Einfluss,
manche auf Geld, alle auf Popularität. Woher diese plötzliche
Führungsmüdigkeit? Was bewog Rösler bereits im Alter von 35 Jahren,
seine politische Laufbahn auf exakt zehn Jahre zu terminieren? Galt
es nicht als größtes Ziel moderner Menschen, sich wie Rocky bis nach
ganz oben hochzuboxen, um für den Rest des Lebens über rote Teppiche
zu flanieren, Austern zu knacken und ein Heer von Schranzen zu
kommandieren? Die jüngsten Anmerkungen der Söhne von Helmut Kohl
weisen darauf hin, dass die Sehnsucht nach Ruhm, gern in historischem
Ausmaß, gleich mehrere Leben überwältigt hat.

Offenbar macht Macht nicht mehr denselben Spaß wie früher. Wer
etwas zu sagen hat, steht dieser Tage unter Totalverdacht. Nicht ganz
zu Unrecht: Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, muss bis über
manche Schmerzgrenze hinweg jeder Cent gespart werden, ob auf Kosten
der Umwelt in China, ob beim Tierfutter im Schweinestall oder ob auf
Kosten der Menschenrechte in der T-Shirt-Näherei in Bangladesch.
Politische Kuhhandel, die früher als Kompromiss durchgingen, werden
heute gnadenlos offengelegt. Jede Großorganisation hat graue bis
dunkelgraue Zonen.

So wird Führen in Zeiten der digital befeuerten Adhoc-Hysterie zum
fortwährenden Krisenmanagement und der Anführer zum
Generalverantwortlichen. Langfristige Entscheidungen werden vom
habituellen Alarmismus vereitelt. Wer führt, darf auf keinen Fall
visionär oder schräg oder verwegen daherkommen, sondern muss
gnadenlos authentisch hobbygärtnerisch sein. Jedes Interview eine
lächelnde Farce. Freiheit? Gestaltung? Mal Abschalten gar?
Fehlanzeige.

Führungspersönlichkeiten, die diese gnadenlosen Mechanismen
erkennen, kommen eines Tages fast unweigerlich an den Punkt der
Resignation. Öffentlicher Druck, so ergab jüngst eine Studie der
Sporthochschule Köln, treibt viele Leistungssportler in die
Depression. Warum sollte es bei Führungskräften anders sein? Wer also
durchblickt, wird sich eines Tages die Frage stellen: Warum tut man
sich diesen Irrsinn eigentlich an? Kein Diensthubschrauber, keine
Suite ist einen Selbstmord auf Raten wert.

Der unschöne Begleiteffekt: Viele Gute gehen, im
Selbstbewusstsein, dass sich eine andere Aufgabe schon finden wird.
So bleiben oft die Steinbrücks, die zwar irre stolz auf ihre
Führungsrolle sind, sie aber kaum auszufüllen vermögen, weder
menschlich noch inhaltlich. Und weil wenige mittelmäßige Steinbrücks
viele noch Schwächere rekrutieren, kommt eine Negativspirale
schlechter Führung in Schwung. Wir stecken derzeit mittendrin, in
nahezu allen Bereichen. Höchste Zeit, gute Führung als Kunst zu
rehabilitieren.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

450159

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Armut in der EU Kommentar Von Gregor Mayntz Düsseldorf (ots) - Wenn in deutschen Städten die Unterkünfte für Flüchtlinge aus allen Nähten platzen, muss die Politik verantwortlich handeln. Sie darf dabei ausländerfeindlichen Stammtischparolen ebenso wenig nachgeben wie Weltbeglückungs-Idealisten, die die Aufnahmefähigkeit Deutschlands für unbegrenzt halten. Eine Grenzen-dicht-Rhetorik greift zu kurz. Differenzierung ist angezeigt. Das wirtschaftlich starke Deutschland muss zwar mehr schultern, aber es muss vor allem scharf trennen zwischen den Neuankömmlingen, die mit ihrer Schaffenskraft mehr...

  • Rheinische Post: Wir haben es satt Kommentar Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - Dioxin in Lebensmitteln, Pferde- statt Rindfleisch in Tiefkühlprodukten, Betrug mit angeblichen Bio-Eiern. Und jetzt auch noch Schimmelpilzgift, das in unsere Milch geraten sein könnte. Die Geduld der Verbraucher wird derzeit arg strapaziert. "Es ist genug, wir haben's satt", möchte man der Lebensmittelwirtschaft zurufen. Doch alles Wehklagen hilft nicht. Nötig ist zweierlei: Der Staat (Bund und Länder) muss seine Kontrollen verschärfen und skrupellosen Lebensmittel-Tricksern das Handwerk legen. Vielleicht muss mehr...

  • Rheinische Post: Eine bürgerliche Partei gegen den Euro? Kommentar Von Sven Gösmann Düsseldorf (ots) - Sie lehnen die Euro-Rettung ab und wollen eine "Alternative für Deutschland" sein. So jedenfalls nennt sich eine in Gründung befindliche Partei um häufig mit der Vorsilbe "Ex-" versehene Konservative und Erzliberale wie Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel, Ex-"FAZ"-Mann Konrad Adam oder die Ex-Euro-Kläger Joachim Starbatty und Wilhelm Hankel. Nicht nur die Euro-Rettung, auch die gesellschaftspolitischen Vorstöße wie der jüngste zur Gleichstellung der Homo-Ehe irritieren einstige Stammwähler der Merkel-CDU und der mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Schimmel in Tierfutter Bielefeld (ots) - Es gibt in diesen Tagen schönere Berufe als den eines Verbraucherschutzministers. Erst als Rind getarntes Pferd, dann Schummelei beim Ei und jetzt Tierfutter, das sich als Schimmelbombe erweist: Da möchten die Verbraucher doch zu gerne wissen, was die Minister in Bund und Ländern zu ihrem Schutz zu tun gedenken. Auf Antwort wartet Otto Normalverbraucher vergebens. Stattdessen darf er zusehen, wie wieder einmal Schwarzer Peter gespielt wird. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) prangert die angeblich mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum US-Haushalt Bielefeld (ots) - Die Sparbombe in Washington ist fast lautlos explodiert. Der Kongress versuchte erst gar nicht, die Ladung zu entschärfen. Noch während des Countdowns schickte der republikanische Sprecher die Abgeordneten unerledigter Dinge nach Hause. Auch die Seismographen an der Wall Street schlugen kaum aus, als die automatischen Ausgabenkürzungen von 1,2 Billionen US-Dollar über die kommenden zehn Jahre in Kraft traten. Angesichts der Aufregung, die das frühere Ringen um die Fiskalklippe oder die Anhebung der Neuverschuldungsgrenze mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht