(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten

Geschrieben am 13-12-2012

Bielefeld (ots) - Ägypten steht an der Kreuzung. Ein Weg führt in
die Freiheit der Demokratie, ein anderer in die islamistische
Diktatur, ein dritter ins Chaos. Der Verfassungsprozess, der das
größte und militärisch stärkste arabische Land demokratisch ordnen
und einigen sollte, droht diktatorisch zu scheitern und das Land zu
spalten. Ganz gleich, ob das Referendum morgen stattfindet oder
nicht, Präsident Mohammed Mursi hat mit seinem
Selbstermächtigungsgesetz den größten Fehler begangen, der in einem
revolutionär aufgeheizten Volk möglich ist: Er hat die
Glaubwürdigkeit des Revolutionsführers verspielt. Die liberalen,
demokratisch gesinnten Teile der Bevölkerung trauen ihm nicht mehr,
sie fühlen sich von ihm und den Muslimbrüdern hintergangen. Wer den
Verfassungsentwurf liest, der kann das leicht nachvollziehen. In
Artikel 219 sind die Prinzipien der Scharia dargelegt, die »die
Hauptquelle jeder Gesetzgebung bildet«. Dazu gehört wie seit 1400
Jahren die Todesstrafe für Ehebruch und Gotteslästerung, das
Auspeitschen, Steinigen und Handabhacken. Mit Menschenrechten, der
Hauptquelle demokratischer Staatenbildung, und mit Meinungsfreiheit
hat das nichts mehr zu tun. Diesen Weg will der liberale Teil des
ägyptischen Volkes nicht gehen. Und wenn die Straße, das Volk, außer
Kontrolle gerät, dann ist das Ergebnis offen. Denn das Volk ist, wie
der französische Diplomat und Dichter Alphonse de Lamartine nach
einigen revolutionären Erfahrungen schrieb, »eine elementare
Urgewalt«. Man kann davon ausgehen, dass es auch in Ägypten nicht
mehr ohne Zugeständnisse zu bändigen sein wird. Das umso mehr, als
die Armee nicht in den Konflikt eingreifen will - er könnte sie
zerreißen. Mursi versucht, die Armee mit Privilegien und
Polizeivollmachten auf seine Seite zu ziehen. Aber das Denken der
Muslimbrüder ist im Kern totalitär, die Armee würde über kurz oder
lang zum Dolch des Propheten. Ob sie das will? In dieser Situation
kommt dem Westen, insbesondere Washington, vielleicht eine
entscheidende Rolle zu. Präsident Barack Obama hat auf die
Muslimbrüder als künftigen Ordnungsfaktor in der Region gesetzt. Die
Bruderschaft ist der Tat in Ägypten gegründet worden und verfügt über
Netze in allen arabischen Ländern. Aber ihr Einfluss wird
überschätzt, und der Einfluss des Internets, insbesondere bei den
jungen Leuten mit ihren Handys und Laptops, unterschätzt. Information
wirkt auf Dauer befreiend. Das geschlossene Denken der Muslimbrüder
führt in die Diktatur, das offene der Informationsgesellschaft sucht
die Demokratie. Das schmeckt vielen arabischen Potentaten nicht, wie
eine Konferenz in Dubai jetzt belegt, auf der mehr staatliche
Kontrolle über das Internet gefordert wird. Aber vor dieser
Alternative steht Ägypten und steht, mittelfristig, auch die
arabische Welt. Das muss man Mursi und den Emiren, Prinzen und
Königen sagen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

437065

weitere Artikel:
  • Südwest Presse: Kommentar zur Bankenaufsicht Ulm (ots) - Die zentrale Bankenaufsicht in Europa ist noch nicht die Bankenunion, welche die Gemeinschaft anstrebt. Die Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) ist nur Teil und Voraussetzung eines richtigen Prinzips. Banken sind überregionale Veranstaltungen, ihr Versagen kann nur im größeren Verbund aufgefangen werden. Die europäische Kontrollinstanz ist ein Muss. Musste sie der EZB übertragen werden? Die Frage berührt den Kern des Ganzen, die politische Unabhängigkeit der Zentralbank. Sie darf aus gutem Grund mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Pech für die Eurozone Reformen werden auf die lange Bank geschoben. Leitartikel zum EU-Gipfel von Hanna Roth Regensburg (ots) - Es war eine gute Woche für die Europäische Union: Erst die elegante Nobelpreiszeremonie am Montag, dann der Durchbruch bei der Bankenaufsicht am frühen Donnerstagmorgen. Es ist genau diese Mischung aus Ruhe und Erfolg, den man sich in Brüssel für den Jahresausklang wünscht. Dass diese heimelige Atmosphäre durch nichts getrübt wird, dafür hat vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel gesorgt. Lästige Themen wie einen Zeitplan zum Umbau der Eurozone hat sie einfach von der Gipfel-Agenda streichen lassen. Kaum hat der mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Inkonsequent Kommentar zu Seehofer Regensburg (ots) - Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer ist bekannt dafür, dass er genauso gut austeilen wie einstecken kann. Jetzt hat er wieder einmal ausgeteilt. Ordentlich. Gegen seinen Finanzminister Markus Söder. In dessen Heimatzeitung. Der sei "von Ehrgeiz zerfressen", habe "charakterliche Schwächen" und leiste sich "zu viele Schmutzeleien". Schwere Geschütze. Dass Seehofers Breitseite zu Unrecht abgefeuert wurde, wird wohl niemand ernsthaft behaupten, der Söder auch nur halbwegs kennt. Nur: Wenn der Ministerpräsident mehr...

  • Westfalenpost: Energiesparen/Gebäudesanierung/Förderprogramm Hagen (ots) - Die von vielen Wohneigentümern erhoffte steuerliche Förderung von Sanierungsmaßnahmen wird es nicht geben. Sie ist im Vermittlungsausschuss am Parteienstreit über die Kostenverteilung gescheitert. Damit bekommt die Energiewende einen Dämpfer, an der Richtigkeit der ursprünglichen Ziele und Maßnahmen aber ändert sich nichts.

    In Deutschland entfallen derzeit über 40 Prozent des Energieverbrauches auf den Betrieb von Gebäuden. Allein diese Zahl verdeutlicht, welches Potenzial in der Dämmung von Fassaden, Dächern mehr...

  • Westfalenpost: Umwelt/Wald/Forst/NRW Hagen (ots) - Der Weihnachtsbaum ist zum Exportschlager des Sauerlandes geworden. Wenn jeder dritte deutsche Christbaum in der heimischen Region geschlagen wird, müssen die wirtschaftlichen Folgen eines Verbots bedacht werden. Remmel sollte den Paragrafenwald nicht weiter aufforsten, sondern sich auf Maßnahmen gegen die Giftspritze konzentrieren.

    Für viele Waldbesitzer war die Anpflanzung der Christbäume nach Kyrill ein Akt des Überlebens. Regionale Auswüchse können durch Flächenbegrenzungen vermieden werden. Grüne Warnungen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht