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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Griechenland: "Ein bisschen Wahrheit"

Geschrieben am 28-11-2012

Regensburg (ots) - Ein wenig geht es den "Griechenland-Rettern" in
Brüssel und Berlin wie dem sagenhaften Sisyphos. Der listige Grieche
sollte zur Strafe einen Granitblock den Berg hinaufrollen. Doch jedes
Mal, wenn er oben ankam, rollte das schwere Ding wieder hinab. Die
EU-Finanzminister haben in einer quälend-langen Nachtsitzung ein
neues Hilfspaket mit einer gewagten Anleihe-Rückkauf-Aktion, mit
Zinsverschiebungen und neuen Milliarden-Krediten für Hellas gepackt.
Doch auch das dürfte nicht ausreichen, um das Land wirklich aus der
Krise zu führen. Griechenland rollt weiter tief in die
wirtschaftliche Rezession, in soziales Elend und politisches Chaos.
Allen schönfärberischen Worten zum Trotz, die jetzt auch von der
Berliner Regierung zu hören sind: Griechenland rutscht immer tiefer
in den Schlamassel. Daran werden auch neue Euro-Kredite nichts
ändern. Sie bewirken höchstens, dass dem Ertrinkenden wieder etwas
Luft in den Schwimmring geblasen wird. Aber bald ist auch diese Luft
wieder entwichen. Man wolle Zeit kaufen, heißt es zur Begründung des
neuen Hilfsprogramms. Aber Zeit wofür? Trotz mehrerer drakonischer
Sparprogramme, mit denen Athen Löhne senkte, Staatsdiener entließ,
das Gesundheitssystem rasierte oder das Rentenalter auf 67 Jahre
anhob, hat sich die Lage nicht verbessert. Die Finanzbehörden sind
nicht in der Lage, ausstehende Zahlungen für den Fiskus einzuholen.
Auf der anderen Seite haben Griechenlands Reiche längst Milliarden
Euro ins Ausland transferiert. Das neue Hilfsprogramm hält den
schwerkranken Patienten mit neuen Medikamenten - neuem Geld - am
Leben, für eine Heilung sorgt es dagegen nicht. Europäische Union,
Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank setzen viel
zu einseitig darauf, Griechenland fiskalisch am Leben zu erhalten,
die Wirtschaftskraft wird dagegen nicht gestärkt. Vor diesem
Hintergrund kann man einen großen Teil der Kredite auch gleich in den
Schornstein schreiben. Doch halt, vor einer solch einschneidenden
Konsequenz scheut die Bundesregierung und scheut die internationale
Troika zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser. Die Wahrheit über
die wirklichen Belastungen des deutschen Haushalts und damit der
Steuerzahler hierzulande kommt in kleinen homöopathischen Dosen.
Einige Hundert Millionen Euro etwa gehen dem Etat verloren, weil EZB-
beziehungsweise Bundesbankgewinne aus Geschäften mit griechischen
Anleihen nach Athen überwiesen werden sollen. Dass von den rund 240
Milliarden-Euro-Krediten der öffentlichen Hände der EU-Staaten sehr
viele Milliarden abgeschrieben werden müssen, sprechen weder
Schäuble, noch Merkel oder die EU-Spitzen aus. Mit solchen bitteren
Wahrheiten ist in Deutschland kein Wahlkampf zu bestreiten,
wahrscheinlich nicht einmal ein CDU-Parteitag. CSU-Löwe Horst
Seehofer hat noch einmal die "rote Linie" nachgezogen, keinen
Schuldenschnitt, also keinen Schuldenerlass für Athen. Dabei sind die
Anleihe-Rückkäufe nichts anderes als eine Art Schuldenerlass.
Seehofers Warnung, nur ja nicht die Brandmauer einzureißen, weil dann
auch andere Problemländer "auf der Matte stehen" und Ähnliches
fordern könnten, ist geradezu rührend. Diese Brandmauer ist längst
eingerissen worden, als die EZB griechische Schrottpapiere aufkaufte.
Dass es nach dem Schuldenschnitt für private Gläubiger auch einen für
die staatlichen Kreditgeber Athens geben muss, wissen nahezu alle
Beteiligten. Wetten, dass Schwarz-Gelb diese Einsicht bis nach der
Bundestagswahl hinauszuzögern suchen wird. Mit immer nur ein bisschen
Wahrheit soll nun auch der Bundestag abgespeist und fast zur
Zustimmung für das aktuelle, hochkomplizierte Rettungspaket genötigt
werden. Im Schweinsgalopp sollten die Vorlagen nun wahrscheinlich
morgen abgesegnet werden. Dabei besteht zu übergroßer Eile überhaupt
kein Anlass, sieht man einmal vom Anleihe-Rückkaufprogramm ab, das
bis zum 12. Dezember abgeschlossen werden muss. Erst ab dem 13.
Dezember soll Geld nach Athen fließen. Freilich will die Kanzlerin
und CDU-Vorsitzende das unliebsame Thema vor dem Parteitag Anfang
kommender Woche vom Tisch haben. Fürs Erste jedenfalls. Merkel,
Schäuble und Co. ordnen die Griechenland-Hilfe kleinlicher
Parteitaktik unter. Autor: Reinhard Zweigler



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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