(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Warum Grün? Die Kandidaten-Urwahl der Partei lässt viele Fragen offen

Geschrieben am 11-11-2012

Cottbus (ots) - Vorsicht. Die Urwahl bei den Grünen ist nicht nur
ein tolles Zeichen von innerparteilicher Demokratie gewesen, wie die
beiden frisch gewählten Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin
Göring-Eckardt jetzt glauben machen wollen. Zur Wahrheit gehört auch:
Diese tolle innerparteiliche Demokratie hinterlässt
Kollateralschäden, von denen sich die Grünen vielleicht nicht so
rasch erholen werden. Denn vier machthungrige Politiker sind nicht in
der Lage gewesen, die Frage einer Spitzenkandidatur im politischen
Konsens zu lösen. Deswegen hat die Urwahl überhaupt stattgefunden.
Und deswegen sind jetzt mit Parteichefin Claudia Roth und der
Fraktionsvorsitzenden Renate Künast zwei Vollblutpolitikerinnen
maximal beschädigt worden. Gerade für Claudia Roth ist das bitter,
nicht nur, weil ausgerechnet sie die Wahl forciert hat. Sie ist die
Frau, die Grün wie keine andere lebt. Sie muss sich jetzt gut
überlegen, ob sie trotz der Demütigung kommende Woche auf dem
Parteitag erneut als Vorsitzende antreten wird. Renate Künast
hingegen hat die Zeichen der Zeit schlichtweg ignoriert - nach der
vermasselten Berlin-Wahl musste ihr eigentlich klar gewesen sein,
dass viele in der Partei ihrer überdrüssig geworden sind. Künast wird
nach der Bundestagwahl wohl kaum Fraktionsvorsitzende bleiben. Das
alles hätten sich die Grünen aber durchaus ersparen können.
Verantwortlich für die Demontage zweier Führungskräfte sind die
Unlust zum Kompromiss und die Selbstüberschätzung der grünen
Führungsriege in punkto Aufstellung für die Bundestagswahl. Kanzler
wird keiner werden. Punkten können die Grünen nur im Team, und wie
das aussehen könnte, steht mehr denn je in den Sternen. Diese Wahl
hinterlässt damit einen extrem faden Beigeschmack. Die Frage ist
jetzt, was die beiden Sieger mit ihrem Kandidaten-Amt anfangen
werden. Gewiss, mit Göring-Eckardt verbindet sich auch ein klares
Signal der Basis: Man will die Erneuerung. Wobei die Ostdeutsche
genauso zum grünen Establishment gehört wie die anderen an der
Parteispitze. Seit der Wende hat sie in vielen, herausragenden Ämtern
grüne Politik gestaltet. Dass Göring-Eckardt dennoch als frische
Alternative gesehen wird, liegt daran, dass sie für ein neues, grünes
Milieu steht, welches in der Partei zunehmend die Oberhand gewinnt.
Gemeint sind damit diejenigen, für die bürgerlich zu sein keine
Beleidigung und kein Verrat an Idealen mehr ist; es sind die, die
Realismus und nicht politische Spinnerei erwarten. Göring-Eckardt hat
keine Berührungsängste. Auch nicht zur Union hin. So wie viele
Neu-Grüne auch. Und die Kirchenfrau hat keine linke Vorgeschichte wie
ihr Mitstreiter Jürgen Trittin, der sich sowieso längst zum
unangefochtenen Pragmatiker der Macht gewandelt hat. Mit dieser Wahl
haben die Grünen den endgültigen Schritt in die politische Mitte
vollzogen. Genau darin liegt aber auch die Gefahr. Das Problem für
Göring-Eckardt und Trittin bleibt, dass die meisten klassischen
Themen der Partei längst von den anderen adaptiert worden sind. In
der Mitte tummeln sich alle. Warum sollte man daher Grün wählen?
Diese schnöde Frage wird für das neue Duo schwer zu beantworten sein.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

428368

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: zum Thema "Grüne Doppelspitze" Bielefeld (ots) - Nein, das Wort Überraschung trifft es nicht. Ganz und gar nicht. Es kommt schon einer Sensation gleich, dass sich die Grünen für Katrin Göring-Eckardt als Spitzenkandidatin neben Jürgen Trittin entschieden haben. Das Signal ist deutlich: Die grüne Basis stärkt intern den Realo-Flügel und zwingt die Parteiführung zum Aufbruch in eine neue Zeit. Zur Disposition steht nicht weniger als die zwanghaft betriebene, politisch korrekte Positionierung im Parteienspektrum. Erst Kretschmann, dann Kuhn und nun Göring-Eckardt: mehr...

  • Westfalen-Blatt: zum Thema Bußgeld Bielefeld (ots) - Künftig 70 Euro Bußgeld fürs Autofahren mit dem Handy am Ohr wären korrekt - und alles andere als Abzocke. Wer's nicht glaubt, sollte einfach mal von Bielefeld nach Paderborn fahren. Er wird erschüttert sein, wie viel Ignoranz und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf dieser - wie jeder anderen - Normalstrecke tagtäglich zu besichtigen ist. Dabei kostet der Verstoß heute schon 40 Euro zuzüglich 20 Euro Bearbeitungsgebühr und das sechsfache Briefporto. Offenbar reicht das bisherige Bußgeldmaß nicht aus. Da hilft mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Grüne wählen Trittin und Göring-Eckardt Die Weisheit des Schwarms ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Das ist das Großartige, aber auch Risikoreiche an der Demokratie: Die Basis entscheidet sich einfach anders, als es die Meinungsführer erwartet haben. Dass Katrin Göring-Eckardt mit ihrem guten Ergebnis sowohl Claudia Roth als auch Renate Künast deklassierte, hätte in dieser Deutlichkeit niemand erwartet. Diese Urwahl hätte weiser nicht ausgehen können. Im digitalen Neusprech dürfte man es so formulieren: Die Intelligenz des grünen Mitglieder-Schwarms hat sich durchgesetzt. Dass die kühle Analytik und das schnelle mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Ab in die Mitte Stuttgart (ots) - Unabhängig davon, ob die Parteilinke Claudia Roth zur Wiederwahl als Grünen-Chefin antritt: Für ihr Lager brechen harte Zeiten an. Es geht um die politische Existenz. Nach der Grünen-Urwahl ist vor der Vorstandswahl ist vor der Niedersachsenwahl ist vor der Bundestagswahl: Die Basis hat mit Fraktionschef Jürgen Trittin und Parlamentsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zwei Spitzenkandidaten ausgesucht, die das Bild der Grünen verändern können. Die ab in die Mitte wollen - ins bürgerliche Lager streben, um dort mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Bildung / Hochschulen Osnabrück (ots) - Verunsicherte Dozenten Hochschuldozenten haben es nicht leicht. Ständig bescheinigen ihnen Untersuchungen, dass die Studienabbrecherquote zu hoch sei. In anderen Ländern laufe das besser, schallt es ihnen aus Politik und Wirtschaft entgegen. Außerdem wird häufig ein Mangel an Absolventen in den sogenannten MINT-Fächern kritisiert, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Was liegt daher näher, als das Ausbildungsniveau zu senken und öfter gute Noten zu verteilen? Jetzt warnt der mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht