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Mittelbayerische Zeitung: Romneys Versöhnungsangriff Der Herausforderer verspricht ein Ende der Grabenkämpfe - eine Finte, die Obama gefährlich werden kann. Leitartikel von Christian Kucznierz

Geschrieben am 23-10-2012

Regensburg (ots) - Ginge es nach dem Willen der Bundesbürger, so
verhielte es sich mit der US-Wahl 2012 so wie mit dem Roman "Chronik
eines angekündigten Todes": Der Ausgang steht von Anfang an fest, es
geht nur mehr um die Frage, wie es dazu kam. In dieser Version wäre
Barack Obama wiedergewählt und alles, was davor geschah, dient der
Illustration, warum es so kommen musste. So einfach aber ist es
leider nicht. Denn erstens hat Mitt Romney in der Gesamtbilanz der
drei Debatten keine schlechte Figur gemacht. Im Gegenteil. Er schlug
den Amtsinhaber klar im ersten TV-Duell; im zweiten und dritten
konnte er zwar nicht mehr wirklich punkten. Aber er hat auch nicht
total versagt. Wie hätte er zum Beispiel auch einem Präsidenten
beikommen wollen, der drei Jahre Erfahrung als Führer einer Nation
hat, die in Afghanistan noch in einem Krieg steht, den im Irak
beendet hat und den Terrorfürsten Osama bin Laden getötet hat?
Romneys Strategie im letzten Duell musste es sein, gegenzuhalten.
Diese Mission hat er erfüllt. Obama dagegen hat seinen Patzer im
ersten Fernsehduell schnell vergessen machen können. Wer die Debatten
vergangene Woche und am frühen Dienstagmorgen verfolgt hat, konnte
einen Präsidenten erleben, der durchaus angriffslustig sein konnte,
der souverän wirkte, ohne abgehoben zu sein. Aber das allein hat ihm
noch lange nicht die Miete für das Weiße Haus für die nächsten vier
Jahre gesichert. Der vielleicht wichtigste und gefährlichste Satz der
dritten und letzten TV-Debatte kam aus dem Mund des Herausforderers.
"Washington ist zerrüttet", sagte Romney in die Kamera. Er könne
diesen Zustand beheben, weil er in seiner Zeit als Gouverneur von
Massachusetts bewiesen habe, dass er als Republikaner mit Demokraten
gemeinsam für ein Ziel zusammenarbeiten kann. Das klingt erst einmal
ziemlich platt. Ist es aber nicht. Für viele Amerikaner ist
Washington fast schon zu einem Unwort geworden. Die Hauptstadt steht
für abgehobene Parteienränkespiele, für Streit um des Streits willen,
dafür, dass die Politik vergessen hat, für die Menschen da zu sein
und nicht umgekehrt. In der Tat ist die politische Lage in den USA
derzeit so gespalten wie vielleicht noch nie in der jüngeren
US-Geschichte. Das hat auch, aber nicht nur damit zu tun, dass Obama
der erste schwarze US-Präsident ist. Es hat auch damit zu tun, dass
in der derzeitigen Krise der US-Wirtschaft eine tiefe Verunsicherung
im Land herrscht. Der amerikanische Traum, nach dem es die kommende
Generation immer besser haben sollte als die vorangegangene, scheint
für viele wirklich nur noch ein Traum zu sein. Der harte Wahlkampf
ist ein Spiegel dieser Verunsicherung, die Polarisierung eine ihrer
Folgen. Schuld an dieser Ausgangslage sind nicht zuletzt die
Republikaner, oder zumindest die zunehmend einflussreichen
Ultra-Rechten, um deren Gunst auch Romney lange werben musste. Sie
waren es, die mit allen Mitteln versuchten, die verhasste und als
"sozialistisch" gebrandmarkte Politik des Präsidenten zu blockieren.
Und nun bedient sich ihr Kandidat für das Präsidentenamt einer Finte.
Er wendet sich ab von der Politik der Spaltung und verspricht, das
alles zu ändern. Zusammen mit seinem Versprechen, die brachliegende
Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen, ist dies eine hochbrisante
Mischung für Barack Obama. Es verwundert kaum, dass er erneut
versucht hat, Romney als nicht glaubwürdig darzustellen, als einen,
der alles verspricht, was gerade opportun ist, um dann am Ende doch
das zu machen, was er seiner Partei versprochen hat: Steuern senken,
den Staat verschlanken, mehr Geld ins Militär stecken, außenpolitisch
härter auftreten - egal, ob diese Rezepte nicht vielleicht wirklich
schuld an der Misere sind, in der die USA stecken. Obama hat die
letzten beiden TV-Duelle gewonnen; er hat die überzeugenderen
Argumente geliefert. Romneys Werben um die Mitte hat er nicht
aufhalten können. Das könnte in diesen unglaublich knappen Wahlkampf
am Ende noch für Überraschungen sorgen. Nicht nur bei den deutschen
Beobachtern.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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