(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Die Gefahr im Krankenbett / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 22-10-2012

Berlin (ots) - Was den Fall des gestorbenen Babys und des
erkrankten Frühgeborenen in der Berliner Charité so betroffen macht,
ist die Erkenntnis, dass ihre Erkrankung nicht etwa Gott gegeben war
oder ist, sondern durch Menschenhand. Möglicherweise sogar im
wahrsten Sinne des Wortes. Denn mangelnde Handhygiene, also das
allenfalls flüchtige Waschen der Hände, gilt als eine der
gefährlichsten Sünden auch in deutschen Krankenhäusern. Noch wird in
der Frühchen-Station auf dem Campus des Rudolf-Virchow-Klinikums
fieberhaft nach der Quelle des Keims gefahndet. Traurige Wahrheit
allerdings ist, dass es in deutschen Krankenhäusern um die Hygiene
nicht so bestellt ist, wie es notwendig wäre.

Es ist ja kein Zufall, dass der Bundestag im August letzten Jahres
ein neues Hygiene-Gesetz verabschiedet und die für die Umsetzung
verantwortlichen Länder aufgefordert hat, jetzt ihrerseits
entsprechende Verordnungen zu erlassen und für deren Umsetzung zu
sorgen. In Berlin gibt es eine solche Verordnung seit Mitte des
Jahres. Gesundheitssenator wie Charité haben sich offensichtlich auch
korrekt verhalten, als sie sogleich nach der Diagnose der
lebensbedrohlichen Keime das Robert-Koch-Institut informiert und um
Amtshilfe gebeten haben. Insofern ist nach allen bisherigen
Erkenntnissen der aktuelle Ausbruch an der Charité auch nicht mit den
Vorfällen und nachweislichen Schlampereien in dem Bremer Klinikum im
Frühjahr 2011 vergleichbar.

Keime jedweder Art in Krankenhäusern sind eine latente Gefahr,
weil sie dort Menschen heimsuchen, deren Immunsystem geschwächt ist.
Das gilt natürlich insbesondere für Intensiv- und
Frühgeburtsstationen. Sie allerdings, wie alle übrigen Stationen,
völlig keimfrei zu halten ist höchst aufwendig; und gilt dennoch als
illusorisch. Was bei uns ziemlich undenkbar ist, wird in Amerika
zumindest partiell gemacht. Um resistente Keime, die sich über Jahre
in Krankenstationen "verbarrikadiert" haben, auszulöschen, werden
prophylaktisch in bestimmten zeitlichen Abständen ganze Hospitäler
entkernt und neu aufgebaut. Das passiert in Deutschland allenfalls
mit verseuchten Stationen wie derzeit noch in Bremen und sehr bald im
Virchow-Klinikum.

An der Hygiene zu sparen wird unweigerlich früher oder etwas
später sehr teuer. Natürlich für die Gesundheit des Patienten, aber
auch für Ruf und Renommee eines Krankenhauses. Deshalb wird der Ruf
nach Hygiene-Fachärzten an jedem Hospital zu Recht immer lauter. Zu
vielfältig sind die Quellen der Verunreinigung, als dass sich
Stationsärzte auch darum noch intensiv kümmern könnten. Wer
kontrolliert denn wirklich das Reinigungspersonal, wer die Besucher
von außen, wer schlägt Alarm, wenn die Personaldecke zu dünn ist und
deshalb das Händewaschen vor jeder neuen Patientenberührung nur drei
Sekunden statt der notwendigen halben Minute dauert? Oder wer sorgt
für die regelmäßige Desinfektion der gesamten Infrastruktur von der
Wasserleitung bis zum Seifenspender?

Bei allen Mängeln, aller Sorge und aktueller Trauer gilt es aber
auch daran zu erinnern: Ärztlicher Kunst gelingt es heute, viele
Patienten, auch Frühchen mit minimalem Gewicht, zu retten, die früher
keine Überlebenschance gehabt hätten.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

424433

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Die CDU und ihr städtisches Problem Cottbus (ots) - Da steht der CDU in den nächsten Wochen wieder eine muntere Debatte ins Haus. Kann die Partei in den großen Städten überhaupt noch gewinnen? Die Frage der Mehrheitsfähigkeit stellen sich die Christdemokraten schon seit der Bundestagswahl 2002, als die Union in den Kommunen im Durchschnitt noch nicht einmal 30 Prozent schaffte. Verbessert hat sich seitdem wenig. Und das Ergebnis von Stuttgart lässt Schlimmes für die Bundestagswahl im kommenden Jahr erwarten. Es gab sogar mal eine Kommission, die von Angela Merkel als mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Was der Dopingfall Armstrong im Leistungssport bewirken könnte Cottbus (ots) - Die Entscheidung des Radsport-Weltverbandes, den US-amerikanischen Doping-Sünder Lance Armstrong aus allen Siegerlisten zu streichen und lebenslang zu sperren ist richtig, alternativlos, überfällig und leider dennoch nicht vollends befriedigend. Niemand wird je sagen können, welchem ehrlichen Sporthelden Armstrong da den Platz in den Geschichtsbüchern geraubt hat. Der Wunsch von Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme, das Gelbe Trikot nicht an einen der Fahrer aus der damals offensichtlich dopingverseuchten Szene mehr...

  • Rheinische Post: CDU schrumpft zur Landpartei Düsseldorf (ots) - Ein Grüner regiert nun die Schwaben-Metropole Stuttgart. Nach dem Sieg von Winfried Kretschmann als Ministerpräsident im "Ländle" ist das der zweite Nackenschlag für die einst so stolze CDU im Südwesten der Republik. Ob in Berlin, Hamburg, München oder Köln: Die CDU wirkt in großstädtischen Milieus, besonders bei jungen Frauen und Studenten, nicht attraktiv. Schon 2002 hatte CDU-Chefin Angela Merkel deshalb die Arbeitsgruppe "Großstädte" eingerichtet. Passiert ist wenig. Die CDU-Führung sollte sich dem Thema schon mehr...

  • Rheinische Post: Der neue Wein Düsseldorf (ots) - Die vom Bundestag vorangetriebene Umstellung beim Wein geht prinzipiell in die richtige Richtung. Viele Verbraucher, die das Weintrinken nicht als Wissenschaft oder Leidenschaft betreiben, haben schon die Regale abgesucht und zweifelnd vor den Etiketten gestanden: Ist jetzt der Riesling passend als "Kabinett" oder "Spätlese" oder "Auslese", und wie schmeckt er wohl, wenn er von der Mosel, von der Saar oder aus der Pfalz kommt? Wenn der Verkäufer dann aufklären kann, dass es dabei weniger um Geschmack als um Qualität mehr...

  • Rheinische Post: Nachspiel zu Wulff Düsseldorf (ots) - Im Kampf um die Deutungshoheit in der Wulff-Affäre hat die SPD einen Erfolg errungen. Sie hat beim Staatsgerichtshof in Niedersachsen erreicht, dass beide CDU-Landesregierungen in Hannover, die von Christian Wulff und die des jetzigen Amtsinhabers David McAllister, kräftig gerügt wurden. Beide hatten dem Landesparlament auf Anfragen zum Nord-Süd-Dialog, jener unsäglichen Promi-Party, die in den Räumen der Staatskanzlei organisiert wurde, nur unzureichende Antworten gegeben. Einen Skandal wird die SPD der amtierenden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht