(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Eine verpasste Chance Zur Vergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union

Geschrieben am 12-10-2012

Cottbus (ots) - Ach, Europa. Schon vergangenes Jahr war darüber
spekuliert worden, das Nobelpreis-Komitee könne ein Zeichen setzen -
und angesichts der Krise, die den Kontinent auseinanderzureißen
droht, daran erinnern, dass es sich bei der Europäischen Union in
allererster Linie um ein einzigartiges Friedensprojekt handelt.
Mancher hierzulande scheint das vergessen zu haben, aber die Menschen
in der früheren jugoslawischen Teilrepublik und dem heutigen
EU-Mitgliedsland Slowenien wissen recht gut, dass Frieden keine
Selbstverständlichkeit ist auf einem Kontinent, der jahrhundertelang
von Kriegen verheert wurde. In Zeiten immer neuer Rettungsschirme,
Nothilfen und Krisengipfel droht die große europäische Idee, sich
wieder in nationalen Egoismen aufzulösen. Die Überzeugung, in
schwierigsten Zeiten füreinander einstehen zu müssen - im ureigensten
Interesse, wohlgemerkt - ist ins Wanken geraten. An ihre Stelle tritt
eine oft populistisch geschürte Angst, von den anderen Europäern
wahlweise ausgenutzt oder bevormundet zu werden. Längst überwunden
geglaubte nationale Stereotype erleben eine erschreckende
Renaissance. In Deutschland geben Politiker zu verstehen, am
deutschen Wesen müsse, wenn schon nicht die Welt, so doch zumindest
Europa genesen. Andernorts wird die Kanzlerin als legitime
Nachfolgerin Adolf Hitlers beleidigt. Kein Zweifel: Europa driftet
auseinander. Das Signal, das Oslo aussenden will, ist notwendig und
richtig. Und dennoch. Die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees ist
auch eine verpasste Chance. Die Jury hat es nämlich versäumt, die
Auszeichnung der Institution - wie in der Vergangenheit bereits
mehrfach praktiziert - mit der Auszeichnung einer Person zu koppeln,
deren Leben und Wirken glaubwürdig für die europäische Idee steht.
Dass die EU von vielen Bürgern in erster Linie als anonymer Apparat
wahrgenommen wird, ist ja kein Geheimnis. Aber es sind Menschen, die
Geschichte schreiben, die Begeisterung wecken und Zweifelnde
mitnehmen können. Unter den aktuellen Staats- und Regierungschefs der
27 EU-Mitgliedstaaten sucht man die großen Europäer allerdings
vergebens - von Jean-Claude Juncker, dem Premier des kleinen
Luxemburg, vielleicht einmal abgesehen. EU-Kommissionspräsident José
Manuel Barroso und der ständige Ratspräsident Herman Van Rompuy
wirken zu blass, aber ein paar europäische Lichtgestalten sind noch
am Leben: Der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors etwa wäre
ein würdiger Preisträger gewesen - und als geistiger Vater des Euro
zudem ein starkes Symbol. Und, ja, auch der frühere Bundeskanzler
Helmut Kohl wäre für die Auszeichnung infrage gekommen. Was er und
der verstorbene französische Ex-Präsident François Mitterrand
miteinander zustande gebracht haben, wird erst heute so richtig klar,
wo es an entsprechender europäischer Führung mangelt.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

422799

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Friedensnobelpreis Stuttgart (ots) - Noch steht ja in den Sternen, ob und wie die Europäer ihre EU, ihren wichtigsten zivilisatorischen Fortschritt, über die Runden retten. Ob die Union und ihre demokratische Legitimation nicht gerade schwersten Schaden nehmen an Schuldenkrise und Rettungsschirmen. Wäre die Wahl auf einen Leuchtturm der Einigung wie Helmut Kohl gefallen, es käme einem Zeichen gleich. Schließlich lässt sich dessen Politik samt Nachwirkungspotenzial beurteilen. Was dem Vorgehen bei den Nobelpreisen für wissenschaftliche Leistungen entspräche. mehr...

  • Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 13. Oktober zum Friedensnobelpreis Bremen (ots) - Und man darf sich fragen, ob es keinen besseren Zeitpunkt für das Nobelkomitee gab, der EU den Preis zuzuerkennen: Beispielsweise schon früher, nach der umfassenden Osterweiterung. Oder in einigen Jahren, wenn die Türkei aufgenommen ist. Bestenfalls, wenn aus dem halbgaren Gebilde die Vereinigten Staaten von Europa geworden sind. Doch die Begründung des Komitees ist bestechend richtig: Alle Welt vergisst in der Krise den eigentlichen Gedanken der EU. Sie wird reduziert auf Schuldenberge, Wirtschaftskrisen, Monsterbürokratie. mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Die EU ist mehr als Papierkram - Kommentar Leutkirch (ots) - Was, die EU bekommt den Friedensnobelpreis? Dieses bürokratische Monstrum? Das unsere Bauern mit Landwirtschaftsnormen nervt! Das dem Einzelhandel die Krümmung der Salatgurke vorschreiben will! Und das Hausbesitzer in abgelegenen Gebieten mit teuren Regeln für die Abwasserentsorgung um den Schlaf bringt! Aber die EU ist mehr als das. Man mag über die Entscheidung des Osloer Komitees den Kopf schütteln. So wie vor drei Jahren, als die gebildeten aber zurückhaltenden Mitglieder tatsächlich meinten, Barack Obama mehr...

  • Rheinische Post: Praxisgebühr ade = Von Birgit Marschall Düsseldorf (ots) - Die Bundeskanzlerin ist offenbar gewillt, die unselige Praxisgebühr wieder abzuschaffen. Gestern sandte sie erste vorsichtige Signale, dass die Union dem Drängen der FDP in diesem Fallnachgeben wird. Überraschend kommt das nicht: Der FDP wird dieser Punktgewinn zugestanden, damit sie kommende Woche im Bundestag dem unsinnigen und teuren Betreuungsgeld zustimmt. Das Betreuungsgeld setzt den Eltern falsche Anreize, deren Kinder ganz besonders auf frühkindliche Bildung, etwa die Sprachausbildung, angewiesen sind. So mehr...

  • Rheinische Post: Asylland NRW = Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - Der seit Wochen anhaltende Zustrom von Asylbewerbern vor allem aus Serbien und Mazedonien kommt jetzt in den Städten an Rhein und Ruhr an. Immer mehr Notunterkünfte werden benötigt, weil die vorhandenen Räumlichkeiten nicht ausreichen. Nach Köln und Neuss hat das NRW-Innenministerium jetzt auch Düsseldorf und Essen angehalten, schon in der kommenden Woche Notquartiere zu benennen. Das Land NRW ist von den bundesweit rapide steigenden Asylbewerberzahlen besonders betroffen, weil es aufgrund des traditionellen Verteilschlüssels mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht