(Registrieren)

"DER STANDARD"-Kommentar: "Die Eurorettung, ein Drahtseilakt" von Eric Frey

Geschrieben am 30-09-2012

Nur die Kombination von Sparpolitik und Hilfsgeldern bietet
politisch eine Lösung - ausgabe vom 1.10.2012

Wien (ots) - Wenn Staaten überschuldet sind und private Investoren
neue Kredite verweigern, gibt es zwei Möglichkeiten, um den
Staatsbankrott zu vermeiden: Entweder sie ziehen sich selbst aus der
Patsche, indem sie radikal sparen, oder sie erhalten Hilfe von außen.

Beide Wege haben aus ökonomischer Sicht unerwünschte
Nebenwirkungen: Ein drastischer Sparkurs treibt das Land in eine
Rezession, durch die sich die Überschuldung kurzfristig noch weiter
erhöht. Externe Hilfe wiederum führt oft dazu, dass ein Land zu wenig
tut, um die Ursachen seiner Misswirtschaft zu bekämpfen. Dieser
"moral hazard" fördert Verantwortungslosigkeit und legt den
Grundstein für zukünftige Krisen. Seit Beginn der Schuldenkrise in
der Eurozone haben die Europäer einen Mittelweg zwischen diesen
beiden unbefriedigenden Optionen eingeschlagen: Die überschuldeten
Länder erhalten Hilfe, müssen aber selbst zu ihrer finanziellen
Sanierung entscheidend beitragen. Deshalb gab es von europäischer
Seite zuerst bilaterale Kredite, dann den temporären Rettungsschirm
EFSF und nun den ESM plus Bankenunion - und dazu die steigenden
monetären Hilfsaktionen der Europäischen Zentralbank. Und
gleichzeitig müssen die betroffenen Staaten Ausgaben streichen,
Beamte abbauen, Steuern erhöhen und öffentliches Eigentum
privatisieren - und das alles unter der strengen Aufsicht der Troika.
All das dient dem Zweck, das Szenario von Staatspleite und
Eurokollaps zu vermeiden. Denn das wäre eine Katastrophe für alle. So
vernünftig dieser große Kompromiss auf den ersten Blick auch wirkt,
so schwierig ist er in der Realität umzusetzen. Denn als sich die
Krise vertiefte und ausweitete, mussten beide Seiten ihren Einsatz
immer weiter erhöhen. Doch dabei wuchs auch die Überzeugung, dass die
eigene Seite die Opfer bringt, während die andere aus ihren
Verpflichtungen flüchtet. Und lautstarker politischer Widerstand auf
einer Seite senkt die Bereitschaft des Gegenübers, das Notwendige zu
tun. Genau das erleben wir heute: In den meisten Schuldnerländern
stocken Budgetsanierung und Strukturreformen, dafür stehen
Deutschland & Co etwa bei der Schaffung einer effektiven Bankenunion
auf der Bremse. Die Eurorettung erweist sich immer mehr als
politischer Drahtseilakt ohne Netz, beim dem jeden Augenblick ein
Absturz möglich ist. Sollte das tatsächlich passieren, dann ist die
Schuld auf beiden Seiten zu suchen. Die Demonstranten in Madrid und
Athen, die den Sparkurs verdammen, sind das Gegenstück von
Bundesbank-Chef Jens Weidmann und jenen deutschen Ökonomen, die gegen
weitere Hilfsgelder wettern. Beide haben wirtschaftlich teilweise
recht, aber politisch völlig unrecht: Denn nur in einer Kombination
beider Strategien ist ein Ausweg aus der Krise vorstellbar. Umso
bedrückender ist es, dass so viele Kommentare aus der Politik und in
den Medien immer nur die Schwächen des einen Weges aufzeigen und den
Blick auf das Ganze verweigern. Trotz des Störfeuers von allen Seiten
schreiten EU-Kommission, EZB und die Regierungschefs der Eurozone auf
dem schmalen Grat weiter voran. Aber je langsamer sie sich bewegen,
desto größer wird die Absturzgefahr. Europa braucht derzeit daher
keine großartigen neuen Visionen und Institutionen. Den mühsamen
Euro-Kompromiss politisch ins Ziel zu bringen ist Herausforderung
genug.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

420535

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steinbrücks Rede Bielefeld (ots) - Die SPD ist in den Wahlkampf hineingestolpert. Es spricht für den desgnierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, dass er sofort Tritt fasst. Merkel und Schwarz-Gelb hinwegfegen, Rot-Grün als eindeutiges Ziel: Steinbrück nutzt den SPD-Landesparteitag in Münster, wo ihm eilends die Bühne für seinen ersten Auftritt nach der Blitznominierung am Freitag bereitet wird, zu einer klaren Kampfansage. Angesichts der aktuellen Umfragewerte klingt das zwar ein wenig wie das Pfeifen im Walde, aber Umfragen sind bekanntlich mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan Bielefeld (ots) - Es gab Zeiten, da bekam ein Verteidigungsminister Applaus für den Satz »Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt«. Diese Worte von Peter Struck (SPD) sind im Laufe der Zeit diskussionsbedürftig geworden. Die Gegenwart hat gezeigt: Unsere Sicherheit wird nicht zuerst in Afghanistan verteidigt. Wir haben genug damit zu tun, sie in Deutschland zu erhalten. Sind es doch immer mehr in Deutschland geborene Menschen, die sich radikalisieren und den Staat unterwandern. Einige stellen sich im Ausland in den mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Parteispenden in Sachsen-Anhalt Halle (ots) - Spenden von Unternehmen sind nicht anrüchig. Es ist legitim, wenn eine Firma eine Partei unterstützt, die sie für wirtschaftsfreundlicher als andere hält. Konkret vor allem den Spendenkrösus CDU. Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Landes-CDU Spenden "als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils" bekommen hat, wie es im Gesetz heißt. Dass der CDU-Landesgeschäftsführer trotzdem keine Namen nennen mag und die Veröffentlichungspflicht vorschiebt, ist unverständlich und sät Misstrauen. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Steinbrück Halle (ots) - Steinbrücks Bitte um "Beinfreiheit" signalisiert sein Problembewusstsein. Dass er den nötigen Spielraum auf "1,80 Meter" bemisst, dürfte eine seiner letzten Schnoddrigkeiten gewesen sein. Denn nun misst er nicht mehr allein. Da steht mit dem politischen Zollstock nicht nur die Parteilinke, die weit in die Mitte der SPD reicht, wenn es um Hartz IV und die Folgen geht. Da sind auch die Grünen, die bald Festlegungen für das "Wie?" der gemeinsamen Wende erwarten dürften. Je näher der Wahltermin rückt, umso konkreter mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Portugal Halle (ots) - Portugal galt als Musterschüler. Doch gereicht hat es nicht. Zusätzliche Sparrunden wurden notwendig, um die Zielvorgaben zu erfüllen. Denn ähnlich wie in Griechenland hat das Sparprogramm zu einer wirtschaftlichen Rezession geführt. Und nun werden aus den Musterschülern Rebellen. Trotzdem stehen in Portugal die Chancen auf eine wirtschaftliche Erholung besser als in Griechenland. Klientelismus und Korruption halten sich in Grenzen und das Land hat ein funktionierendes Finanzwesen. Aber es es bleibt die Frustration, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht