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WAZ: Anzeigepflicht ist noch kein Schutz - Kommentar von Sigrid Krause

Geschrieben am 24-09-2012

Essen (ots) - Darf ein Arzt die Polizei alarmieren, wenn er in der
Praxis oder beim Notfalleinsatz ein Kind mit blauen Flecken am ganzen
Körper trifft? Oder mit verbrannten Fußsohlen? Wenn ein Kind auf
Berührungen panisch, auf freundliche Fragen gar nicht reagiert? Oder
wenn es trotz mehrfacher Einladung nicht zur Vorsorgeuntersuchung
auftaucht? Ja, dann darf ein Arzt nicht nur das Jugendamt oder die
Polizei informieren - er muss es sogar tun, wenn es die begründete
Sorge gibt, dass dem Kind weitere Gewalt droht. Das neue
Kinderschutzgesetz, erst seit neun Monaten in Kraft, eröffnet dazu
neue Wege. Die Pflicht zur Verschwiegenheit bleibt ein hohes Gut; sie
gilt ja nicht nur für Ärzte, die selbst Angehörigen nur in
Ausnahmefällen berichten dürfen, wie es um die Gesundheit oder die
Verfassung eines Patienten steht. Auch Psychologen, Geistlichen,
Anwälten oder anderen "Berufsgeheimnisträgern" verbietet das Gesetz,
berufliches Wissen über einen Menschen Dritten zu verraten. Wer
dagegen verstößt, kann dafür vor Gericht landen - im Ernstfall droht
dafür ein Jahr Gefängnis. Weil die strikte Schweigepflicht aber allzu
oft auch die Falschen schützte, müssen nicht nur Ärzte im Ernstfall
abwägen: Wäre Schweigen ein größeres Unrecht als die Meldung
auffälliger Verletzungen? Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland
haben diese Frage für sich geklärt. Ihr Anliegen ist der Schutz der
Schwächsten, sagt ihr Präsident. Die immer wieder geforderte
Anzeigepflicht helfe ihnen dabei nicht, weil Eltern aus Angst vor dem
Staatsanwalt ein verletztes Kind lieber daheim verstecken könnten.
Wichtiger als der direkte Draht zur Polizei wäre den Ärzten im
Zweifelsfall der enge Kontakt zu anderen Experten: zur Hebamme etwa,
die Kind und Eltern kennt, zur Erzieherin, zu Lehrern. Dieser
schnelle Austausch aber ist Ärzten bis heute verboten, solange die
Eltern ihn nicht wollen. Erst ab 2016 wollen Experten und Politiker
überprüfen, ob das neue Gesetz die Kinder tatsächlich schützt. Eine
engere Vernetzung der Praktiker wäre schon heute geboten. Dann könnte
man die Anzeigepflicht in Ruhe weiterdiskutieren.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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