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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Gleichstellung von Homo-Ehen

Geschrieben am 07-08-2012

Regensburg (ots) - Längst überfällig

Die Gleichstellung von Homo-Ehen im Steuerrecht ist notwendig und
taktisch klug - reicht aber nicht aus.

Von Maria Gruber, MZ

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes
verbietet der öffentlichen Hand, Vergleichbares ohne sachlichen Grund
ungleich zu behandeln. Seit mehr als zehn Jahren können Homosexuelle
in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seit
mehr als zehn Jahren werden sie im Vergleich zu Eheleuten steuerlich
benachteiligt. Und seit mehr als zehn Jahren gibt es keinen Grund,
der diese Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich rechtfertigen
würde. Höchste Zeit also, für eine steuerliche Gleichberechtigung von
homosexuellen und heterosexuellen Paaren zu sorgen. Doch das kann nur
der erste Schritt sein. Das Bundesverfassungsgericht hat schon Anfang
August entschieden, dass homosexuelle Beamte in einer
Lebenspartnerschaft die gleichen Familienzuschläge bekommen müssen
wie heterosexuelle Ehepaare. Alles andere sei eine
"Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung". Allein der
besondere Schutz der Ehe nach dem Grundgesetz ist kein ausreichender
Grund, andere Lebensformen zu benachteiligen, sagen die Karlsruher
Richter. Beim Erbschafts-, Schenkungs- und Grunderwerbs-Steuerrecht
gibt es diese Ungleichbehandlung schon nicht mehr. Und so ist es nur
noch eine Frage der Zeit, bis das Bundesverfassungsgericht auch das
letzte Steuerprivileg für heterosexuelle Paare zu Fall bringt und dem
Bundestag wieder einmal zuvorkommt - das Gremium, das eigentlich für
Entwicklung einer Gesetzgebung zuständig wäre, die den Gegebenheiten
einer modernen Gesellschaft entspricht. Dass Bundesfamilienministerin
Kristina Schröder auf den Zug, den 13 CDU-Abgeordnete in Fahrt
gebracht haben, aufspringt, überrascht nur auf den ersten Blick. Auf
den zweiten ist es ein ziemlich geschickter Schachzug. Die Ministerin
ist - anders als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen - nicht gerade
für mutige oder besonders moderne familienpolitische Ansätze bekannt,
die sie noch dazu direkt in die Schusslinien des konservativen oder
wirtschaftsnahen Unions-Flügels katapultieren. Doch die Ministerin
will sich offenbar mit ihrer Partei positionieren. Die
Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben voranzutreiben, ist in
Zeiten, in denen der Bundestagswahlkampf naht, für eine Volkspartei
wie die CDU bestens geeignet, um sich einer neuen Wählerklientel zu
öffnen. Nicht nur das: Auch SPD und Grüne, die sich das Thema längst
zueigen gemacht haben, dürfte diese Neuausrichtung der Union mit
Blick auf zukünftige Regierungsbündnisse interessieren. Schröder
selbst kann mit der Aktion Kritiker besänftigen, die befürchteten,
dass die Ministerin sich mit dem Rauswurf ihrer angesehenen
Frauenpolitik-Expertin Eva Maria Welskop-Deffaa zugleich von einer
fortschrittlichen Familienpolitik verabschieden würde. Auch
Konservativen sendet Schröder eine Botschaft, die schwer angreifbar
ist - weil sie zum einen ziemlich klug argumentiert und zum anderen
den Nagel auf den Kopf trifft: Wenn sie sagt, dass auch in lesbischen
und schwulen Lebenspartnerschaften Menschen dauerhaft füreinander
Verantwortung übernehmen - und somit konservative Werte leben würden.
Schließlich stärkt die Forderung nach einer steuerlichen
Gleichstellung von Homo-Ehen Schröders Position bei den Verhandlungen
über das Betreuungsgeld im Herbst. Korrekturen am Betreuungsgeld,
dessen Auszahlung Schröder an den Besuch von Vorsorgeuntersuchungen
knüpfen will, dürften sich leichter durchsetzen lassen, wenn der CSU
ansonsten das Ehegatten-Splitting für Homo-Paare "droht". Will die
Union wirklich fortschrittlich sein, sollte sie sich nicht für eine
Ausweitung des Ehegatten-Splittings einsetzen, sondern alles daran
setzen, es abzuschaffen. Eine weitere Gruppe miteinzubeziehen ändert
nichts an der Grundproblematik des Splittings. Dass Alleinerziehende
sowie nichteheliche Partnerschaften mit Kindern davon ausgeschlossen
sind - für deren steuerliche Benachteiligung es keinen Grund gibt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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