(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Verfassungsrichter haben es nicht eilig / Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Geschrieben am 16-07-2012

Berlin (ots) - Eile mit Weile. Nach dieser Lebensweisheit wollen
Deutschlands höchste Richter verfahren, wenn sie in den nächsten
Wochen den "Eilantrag" zur Verfassungsmäßigkeit von
Euro-Rettungsschirm ESM und Fiskalpakt (Schuldenbremse) prüfen. Sie
sind gut beraten, sich trotz der offenkundigen Eilbedürftigkeit und
der Bitte der Bundesregierung um möglichst schnelle Klärung Zeit zu
nehmen. Denn die Hüter des Grundgesetzes sind wieder aufgerufen, über
Grundsätzliches zu entscheiden. Es wird mitbestimmend sein für
Europas Weg in eine gemeinsame Zukunft wie für den Parlamentarismus
in Deutschland. Eilanträge werden gewöhnlich in weit kürzeren Fristen
vor dem endgültigen Urteil beschieden. Das hätte im konkreten Fall
dramatische Folgen haben können, wenn nämlich die Richter unter
Zeitdruck im vorläufigen Entscheid anders urteilen als nach
reiflicher Beratung im Letzturteil. Die Euro-Schuldnerländer wären
als Spekulationsopfer verschärft der Gier der Finanzmärkte
ausgesetzt, die Bundestagsabgeordneten andererseits hätten weiter
darüber gerätselt, welche parlamentarischen Rechte ihnen nach all den
Euro-Rettungsbemühungen tatsächlich verbleiben. Das
Bundesverfassungsgericht begründet seine abweichende Verfahrensweise
denn auch damit, dass es sich um einen "herausragenden politischen
Verhandlungsgegenstand" handele. Konkret: Auf der europäischen Ebene
geht es um die Rettung von Euro und gemeinsamer Währungszone sowie
letztlich um das Gewicht Europas auf dem politischen wie
wirtschaftlichen Weltmarkt. Innenpolitisch steht mit dem Budgetrecht
das Königsrecht der Parlamentarier auf dem Spiel. Aus
nachvollziehbaren Gründen nämlich fürchten Abgeordnete aller
Parteien, dass die Hoheit des Bundestags, über den Jahreshaushalt zu
entscheiden und damit die Regierung zu kontrollieren, durch immer
weniger durchschaubare, aber immer mehr Euro-Beschlüsse ausgehöhlt
wird. Und es wird wohl auch um Angela Merkels Zukunft gehen. Sollten
die Richter dem Rettungsschirm eine Absage erteilen, wäre der gute
Ruf der Kanzlerin als Krisenmanagerin ebenso dahin wie ihre Chancen
im Wahljahr 2013. Aus all dem folgt: Der Karlsruher Zwischenbescheid
am 12. September dürfte dem endgültigen Urteil sehr nahe sein. Die
gestrige Ankündigung der Richter überrascht nicht. Sie hat sich
bereits bei der Anhörung Anfang Juli angedeutet, ohne dass dies schon
ein Indiz für das Urteil ist. Was es für die Abgeordneten bedeutet,
auf mehr Mitsprache bei der Euro-Rettung zu pochen, bekommen sie
übrigens am Donnerstag zu spüren. Sie müssen aus dem Urlaub zu einer
Sondersitzung nach Berlin eilen. Das haben sie den
Verfassungsrichtern zu verdanken. Die hatten ihnen in einem früheren
Urteil Mitsprache zugebilligt, sobald Deutschland über neue Tranchen
aus dem Euro-Rettungsschirm zu entscheiden hat. In zwei Tagen geht es
um den Hilfskredit über 100 Milliarden Euro, den Spanien für seine
Banken braucht. Den Abgeordneten und dem Euro sei gewünscht, dass es
die einzige Sondersitzung bleibt. In unser aller Interesse.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

406968

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Putin Bielefeld (ots) - Josef Stalin brauchte keine Gesetze. Sein Wille war Befehl. Um seine Macht zu sichern, war dem Sowjetherrscher jedes Mittel Recht. Die einen ließ er sofort erschießen, andere schleifte er zur Abschreckung vor Schauprozesse - das Ergebnis war jeweils gleich. Stalin ist fast 60 Jahre tot, sein Sowjetreich ist zerfallen, doch die Methoden der heutigen Machthaber im Kreml nähern sich den früheren an. Wladimir Putin als Diktator zu bezeichnen, ist natürlich überzogen. Immerhin wahrt der ehemalige Geheimdienstler seine Art mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Lotto im Internet Bielefeld (ots) - Kein Zweifel: Lotto ist Glücksspiel und Glücksspiel macht süchtig. Deshalb ist höchste Vorsicht geboten, wenn der Zugang zum Tippzettel erleichtert wird. Wetten im Netz auf den Zufall waren aus guten Gründen zeitweise verboten. Jetzt werden sie wieder zugelassen und das über das populäre »6 aus 45« hinaus. Zugleich dürfen künftig auch einige private Sportwetten angeboten werden. Die Begründung alarmiert: Weil Angebote aus dem Ausland nicht zu beschränken seien, was zutreffend ist, sollen auch im Inland die Hürden mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Euro-Entscheid am 12. September Bielefeld (ots) - Die Damen und Herren in den roten Roben nehmen sich noch die Zeit, vor einer weitreichenden Entscheidung gründlich nachzudenken. Wenigstens sie. Die Politik lässt sich dagegen seit Ausbruch der Finanzkrise von den Märkten treiben. Angeblich ist ja alles alternativlos. Zugegeben, durch die schnellen Entscheidungen wurde Schaden für die Konjunktur verhindert. Nachhaltig aber waren viele Beschlüsse nicht. Sonst müssten nicht immer neue Rettungsschirme gespannt und höhere Kredite aufgenommen werden. Dabei ist es richtig, mehr...

  • Rheinische Post: Euro-Durststrecke Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Birgit Marschall: Zwei Monate Zeit nimmt sich das Bundesverfassungsgericht für die sorgfältige Prüfung der Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm ESM. Das ist ungewöhnlich lang. Doch entscheiden die Richter hier nicht nur darüber, ob die Eilanträge so sehr berechtigt sind, dass der Bundespräsident seine Unterschrift unter den ESM-Vertrag vorerst nicht setzen darf. Sie entscheiden eigentlich über die Sache an sich: Denn unterschriebe Gauck, hätte Deutschland den Vertrag ratifiziert. Es wäre mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Lotto im Internet Halle (ots) - Schon bald wird es Lotto im Internet geben. Im Gegenzug fällt das staatliche Monopol für Sportwetten. Für den Staat ist das ein gelungener Kuhhandel. Schließlich bringt ihm die Sportwette Oddset wenig ein. Doch dank der Internet-Einsätze dürften die Lotto-Umsätze kräftig steigen. Auch die privaten Anbieter können sich freuen, dass sie nun endlich legal handeln dürfen. Die einzigen Verlierer sind die Spieler - zumindest die Suchtgefährdeten. Pressekontakt: Mitteldeutsche Zeitung Hartmut Augustin Telefon: 0345 mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht