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"DER STANDARD"-Kommentar: "Die Faust im Hosensack" von Gerald John

Geschrieben am 03-07-2012

Die SPÖ-Abgeordneten geben es mit ihrem schnellen Ja zum
Fiskalpakt zu billig - Ausgabe vom 4. Juli 2012

wien (ots) - Da war es nur noch eine: Der Aufstand der
SPÖ-Abgeordneten gegen den Fiskalpakt droht zu einer One-Woman-Show
zu schrumpfen. Vor der heutigen Abstimmung im Parlament ist die schon
öfter mit Mut zur eigenen Meinung aufgefallene Oberösterreicherin
Sonja Ablinger die Einzige, die entschlossen ein Nein ankündigt.
Vielleicht schließt sich der eine oder andere Unentwegte an, doch
mehr als eine Minderheitenfeststellung dürfte daraus nicht mehr
werden.
Die rote Geschlossenheit wäre weder verwerflich noch bemerkenswert,
stünde das Stimmungsbild in der Partei nicht auf dem Kopf. Wer in die
SPÖ hineinhört, dem schallt Ärger über das europaweite Regelwerk
entgegen. Bis vor kurzem drang die Kritik nicht nur aus den anonymen
Kadern der Ebene: Gewerkschaftsbosse beklagten sich über das eng
geschnürte Sparkorsett, selbst der verantwortliche Staatssekretär
Andreas Schieder hielt eine Schuldenbremse für unnötig. Nun kann es
ihm gar nicht schnell genug gehen, selbige via Pakt anzuziehen.
Eine Rutsche gelegt hat der jüngste EU-Gipfel, der auf Drängen von
Europas Sozialdemokraten einen Wachstumspakt brachte. Doch es braucht
schon einen Hang zur Verklärung, um darin die ersehnte Wende in der
Krisenpolitik zu erkennen. Die schöngerechnete 120-Milliarden-Spritze
mag das Leiden vielleicht lindern, ändert aber nichts an den Regeln
des Fiskalpakts: Der fortgeschriebene Sparzwang droht Europas
schwächelnde Wirtschaft weiter abzuwürgen.
Sind die SPÖ-Abgeordneten also jämmerlich eingeknickt? Die Anklage
geht einem leicht über die Lippen, verkennt aber die realpolitischen
Möglichkeiten. Eine mittelgroße Koalitionspartei eines kleinen Landes
allein kann den Fiskalpakt unmöglich zu Fall bringen. Spätestens seit
die deutschen Genossen eingelenkt haben, ist der Zug abgefahren. Mit
einem sturen Nein könnten die österreichischen Mandatare höchstens
noch den eigenen Bundeskanzler, der den Pakt in Brüssel längst
abgenickt hat, stürzen. Dass Wahlsieger Heinz-Christian Strache
danach ein sozialdemokratisches Jahrzehnt in der EU einläutet, darf
bezweifelt werden.
Über den Sommer hätten die Parlamentarier ihren Parteichef aber schon
schmoren lassen können: Um die Diskussion, die sich allmählich gegen
den einseitigen Sparkurs dreht, am Köcheln zu halten - und um Werner
Faymann, der die lästige Causa vor seinem Parteitag im Herbst vom
Tisch haben will, einen Denkzettel zu verpassen.
Von mehr Demokratie spricht Faymann, regiert aber im Verein mit den
europäischen Regierungschefs gerne über alle Köpfe hinweg. Nicht nur
beim Fiskalpakt wurden auf EU-Ebene Fakten geschaffen, ehe Wähler und
Parlamente wussten, wovon überhaupt die Rede ist. Wer weiß etwa, was
der im Vorjahr ohne öffentliche Debatte fixierte "Sixpack" bringt?
Kein Normalsterblicher abseits einer Handvoll Experten.
Dabei geht es nicht um Nebensächlichkeiten. Etliche dieser in
unzähligen Paragrafen versteckten Regeln verlagern finanzpolitischen
Einfluss zur EU-Kommission. Zwar braucht diese bei Amtsantritt eine
Mehrheit im Europaparlament, doch die demokratische Rückkoppelung ist
schwächer ausgeprägt als ohnehin schon auf nationaler Ebene. Das
wichtige Ziel einer EU-weit abgestimmten Wirtschaftspolitik heiligt
nicht alle Mittel. Die Entmachtung von Volksvertretungen zugunsten
einer schlecht kontrollierten Exekutive ist ein Deal, gegen den sich
Abgeordnete wehren sollten.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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