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"DER STANDARD"-Kommentar: "Rote Partei im grünen Dilemma" von Petra Stuiber

Geschrieben am 24-06-2012

Der Streit um das Parkpickerl offenbart die innere
Zerrissenheit der Wiener SPÖ - Ausgabe vom 25.6.2012

Wien (ots) - Ausweitung des Parkpickerls, Verkehrsberuhigung der
Mariahilfer Straße: Kaum ein "Aufreger-Thema" in Wien, bei dem die
SPÖ nicht gespalten agiert. Was immer die rote Führungsriege im
Rathaus mit dem grünen Koalitionspartner aushandelt - die "Basis"
agitiert dagegen.
Der mächtigsten sozialdemokratischen Landesorganisation widerfährt
gerade, was Meinungsforscher und sonstige Auguren eigentlich den
Grünen vorausgesagt hatten: dass sie sich in einer gemeinsamen
Regierung aufreiben würden, dass sie nach kurzer Zeit heillos
zerstritten sein würden - und dass sie gegen die in Beton gegossene
Einigkeit des Gegenübers hilflos anrennen würden.
Noch sieht Bürgermeister Michael Häupl offenbar kein gröberes
Problem. Er schweigt beredt und greift nur ein, wenn die Querschüsse
aus den eigenen Reihen zu tief werden: Immerhin hatte er von Anfang
an gesagt, die Ausweitung des Parkpickerls müsse seine neue
Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou selbst
ausstreiten: "Wir haben keine kollektive Führung." Wohl wahr. Aber es
wäre nicht allein ein Problem der Grünen, wenn es nicht gelingt, die
unter Stau und Parkplatznot leidenden Bezirke zu entlasten.
Denn eines ist klar: Nicht die Grünen vergraulen derzeit ihre Wähler.
Es gibt, zumindest in Verkehrs- und Umweltfragen, keinen Unterschied
zwischen grünen Versprechen im Wiener Wahlkampf und dem, was
Vassilakou jetzt auf den Verhandlungstisch legt. Grüne Wähler (und
grüne Basisfunktionäre in den Bezirken) sind damit einverstanden,
dass der Verkehr in der Stadt reduziert wird, dass Autofahren mehr
und Öffisfahren weniger kostet. Die Grünen haben also derzeit kaum
etwas zu verlieren, im Gegenteil: Es könnte durchaus sein, dass sich
auch ein paar Wechselwähler angesprochen fühlen.
Anders die Situation in der SPÖ: Als Rot-Grün vor eineinhalb Jahren
antrat, begründete Häupl diese - für Österreich singuläre -
Entscheidung damit, dass er sich lieber mit den Ökos "über die eine
oder andere Straße streitet, als über Grundsätzliches wie
Bildungsreformen mit der ÖVP". Das klang progressiv, vernünftig und
reformorientiert - und eröffnete eine vage Option auch für die
Bundespolitik.
Nur hatte Häupl offenbar die Rechnung ohne seine Partei gemacht. Denn
in der SPÖ ist die Richtungsfrage längst nicht geklärt. Während die
Mehrheit der roten Regierungsmitglieder die grünen Ideen durchaus
unterstützt, fühlt sich die rote Basis in den Bezirken mit der
Öko-Koalition höchst unwohl, und die Furcht vor der FPÖ, die
scheinbar mühelos von Wahlerfolg zu Wahlerfolg tänzelt, ist groß.
Dies ist weder ausgesprochen noch ausdiskutiert - Offenheit hat im
Machterhaltungssystem der Wiener SPÖ kaum Platz. Zudem ist die Partei
in interne Grabenkämpfe verstrickt, bei denen es hinter seinem Rücken
schon längst um Häupls Nachfolge geht. Wenn rotregierte Bezirke
opponieren, geht das mitunter nur vordergründig gegen die Grünen. Oft
steckt eine gezielte Spitze gegen rote Spitzenpolitiker dahinter, die
vermeintlich oder tatsächlich einer "verfreundeten" Fraktion
angehören.
Diese innere Schwäche schadet den Roten mehr als die zehntausenden
Stimmen, die Schwarz und Blau derzeit gegen das Parkpickerl sammeln.
Häupl wird mehr als seinen Schmäh und sein Talent zum gezielten
Poltern brauchen, um die Fronten zu befrieden. Scheitert Rot-Grün,
trifft das die SPÖ am meisten. Nicht nur in Wien.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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