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DER STANDARD-KOMMENTAR "Chance für echten Umbau der EU" von Thomas Mayer

Geschrieben am 18-06-2012

Hollandes Machtfülle in Frankreich ist wichtiger als die
Dauerkrise in Griechenland - Ausgabe vom 19.6.2012

Wien (ots) - Am Tag nach den zwei für die Zukunft der Europäischen
Union sehr wichtigen Wahlen in Griechenland und Frankreich war die
Aufmerksamkeit in Europa auf Athen fixiert. Auch in Los Cabos in
Mexiko, wo sich alle EU-Spitzen wie die Regierungschefs der
mächtigsten Staaten der Union beim G-20-Gipfel versammelt haben, war
Aufatmen zu spüren: Man freue sich über das Bekenntnis der Griechen
zum Euro, hoffe auf eine baldige stabile griechische Regierung, die
das vereinbarte Spar-, Reform- und Rettungspaket umsetzen werde.
Diese Reaktion ist verständlich. Das Szenario einer Euroverweigerung
an der Akropolis im Falle eines Wahlsieges der Linksextremen, die
eine gröbere Bankenintervention zur Folge gehabt hätte, blieb aus.
Anlass für Optimismus kann es aber kaum geben. Mit dem Konservativen
Antonis Samaras dürfte ein Mann Premierminister werden, der bis zur
Einsetzung eines Notkabinetts Ende 2011 alles daran setzte, die
Sanierungsbemühungen von SP-Regierungschef Giorgos Papandreou zu
torpedieren. Und mit Pasok-Anführer Evangelos Venizelos wird nun
genau jener Ex-Finanzminister wieder an die Macht kommen, der die
EU-Partner bis zu Papandreous Sturz monatelang an der Nase
herumgeführt hatte. Da heißt es also sehr vorsichtig bleiben.
Dennoch: Auf längere Sicht wird Griechenland für die weitere
Entwicklung der Union keine so große Rolle mehr spielen. Der Ausgang
der Parlamentswahlen in Frankreich, bei denen die Sozialisten eine
absolute Mehrheit errungen haben, die dem neuen Präsidenten
Franx{2588}ois Hollande eine historisch einmalige Machtfülle in
Nationalversammlung und Senat bringt, ist vergleichsweise viel
bedeutender. Seit dem G-20-Treffen in Cannes vor einem halben Jahr,
bei dem der Eklat mit den Griechen, der Watschentanz von "Merkozy"
Angela Merkel und Nicolas Sarkozy mit Papandreou, alles andere in den
Schatten gestellt hatte, hat sich die Lage in der EU in drei Punkten
entscheidend geändert. Erstens: Griechenland ist für die Union und
die Eurozone kein existenzbedrohendes Problem mehr. Nach dem
Schuldenschnitt der Privatanleger um 100 Milliarden Euro wird die
neue Regierung in Athen den Partnern vielleicht viel Ärger bereiten.
Aber die unmittelbare Ansteckungsgefahr ist gebannt, Probleme sind
mit der Streckung von Tilgungsfristen beherrschbar. Zweitens: Die
neuen Sorgenkinder sind Spanien und Italien. Damit bekommt das
Krisenmanagement in der Währungsunion eine neue Qualität. Deren
zunehmende Zahlungsprobleme sind mit einfachen Milliardenhilfen und
Rettungsschirmen allein nicht zu lösen. Um zwei so große Eurostaaten
abzusichern, muss die Eurozone fiskalpolitisch rasch zusammenrücken,
eine politische Union - "Kerneuropa" - in Angriff nehmen. Das
verlangt letztlich Kontrolle und Durchgriff auf nationale
Souveränitäten. Drittens: Um solche wirklich weit reichenden
EU-Reformen und Souveränitätsabgaben an EU-Institutionen durchsetzen
zu können, braucht man politische Macht und Mehrheiten. Die deutsche
Kanzlerin Angela Merkel hat erklärt, dass sie dieses neue enge Europa
will, so wie die SPD. Seit Sonntag verfügt nun auch Hollande über
alle verfassungsgebenden Mehrheiten wie seit Franx{2588}ois
Mitterrand nicht mehr (der vor zwanzig Jahren mit Helmut Kohl den
EU-Vertrag von Maastricht schuf). Wenn Merkel und Hollande sich
einigen, könnte das ein großer Sprung für die EU werden.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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