(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Bunte Republik Deutschland / Leitartikel von Hajo Schumacher

Geschrieben am 05-05-2012

Berlin (ots) - Eine der ewigen Weisheiten dieser Republik lautet:
Frisches kommt aus den Ländern, erfolgreiche Kanzler meistens auch.
Dass weder die Kanzlerin noch ihr erster Vize je ein Bundesland
regiert haben, mag die Berliner Knirsch-Koalition mit erklären. Das
Fohlen Rösler immerhin hat im Talentschuppen Hannover geübt. Den
Landtagswahlen in Schleswig-Holstein an diesem und in NRW am nächsten
Sonntag kommt Signalfunktion für die Bundestagswahl zu, die ja nach
einem Jahr Dauerwahlkampf auch schon ansteht. Werden in Kiel oder
Düsseldorf neue Stars geboren? Eher geht die
Kramp-Karrenbauerisierung weiter. Ob Steinbrück-Schüler Albig oder
der Cord-Konservative de Jager, die Riege unspektakulärer
Landesfürsten wird wachsen, kaum hat man sich an Kraft, Sellering und
Kretschmann gewöhnt. Spannend wird es trotzdem: sechs Parteien im
Angebot, knappe Mehrheiten - das motiviert den zur Trägheit neigenden
Kunden hoffentlich mal wieder. Noch vor einem Jahr, als Fukushima
war, schienen die Verhältnisse von sonnenblumenklarer Langeweile. Mit
den Grünen als dritter Volkspartei bei gleichzeitiger Schwindsucht
von Linken und Liberalen schien das gute alte Drei-Parteien-System
wiederhergestellt: rot-grün, schwarz-rot oder gar schwarz-grün, das
waren die Optionen. Doch die Piraten zerstörten die
Übersichtlichkeit. Mit dem Aufkommen der digitalen Zotteligkeit
erholte sich auf wundersame Weise die FDP, gerade so, als ob die
Westerwelle-Enttäuschten den Schmollwinkel verlassen, weil sie
endlich wieder ein Feindbild haben. Zugleich zerstörten die Piraten
die für den Bund 2013 fast sicher geglaubte rot-grüne Koalition. Mit
den jungen Unangepassten plündert sich eine vierte
quasisozialdemokratische Partei durch die Wählerschaft.
Koalitionskünstler Wowereit umschmeichelt die Neuen schon mal; den
Dreibund Rot-Grün-Totenkopf sollte man nirgendwo ausschließen. In
Nordrhein-Westfalen liegt die Ampel wohl näher. Denn in Düsseldorf
steht jetzt schon fest: Die CDU wird derbe verlieren. Es bleibt ein
ewiges Geheimnis, wie der politische Reisefön Norbert Röttgen jemals
Attribute wie "smart", "klug" oder "kanzlerabel" auf sich vereinen
konnte. Mit seiner durchsichtigen Kuschelpolitik kommt er am Original
Kraft nicht vorbei, seine grüne Lyrik glaubt ihm keiner, die
wirtschaftspolitisch interessierten Wähler im Kraftkern der Republik
treibt er stracks zu FDP-Lindner, der die fünf Prozent eben deswegen
wohl schaffen wird. Bundesumweltminister Norbert Röttgen - in der
eigenen Partei höchst unbeliebt, weil egoman - repräsentiert
Macht-Marketing mit Opportunitätshaube, was derzeit überhaupt nicht
gefragt ist. Ob in Staatskanzlei, Ministerium oder Präsidialamt,
allenthalben verlieren die Diven. Nun dominiert das Modell Olaf
Scholz, quälend formalistische Fleißpolitiker, deren Interviews für
alle Beteiligten Höchststrafe bedeuten. Langeweile muss beim Regieren
jedoch nichts Schlimmes sein, wie auch die Franzosen offenbar gelernt
haben. Lieber ein solider Haushalt als eine mittelmäßige Show.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

393677

weitere Artikel:
  • Sonntag aktuell: zu den Schicksalswahlen in Europa Stuttgart (ots) - Zur Wahl stehen an diesem Sonntag Staatspräsidenten und nationale Parlamente. Aber die Ergebnisse aus drei europäischen Ländern werden die gesamte EU betreffen. Schließlich fallen die Entscheidungen mitten in die Schulden- und Euro-Krise. Eine Krise, die in Deutschland momentan zwar nur gedämpft fühlbar sein mag, die aber keineswegs ausgestanden ist. Weshalb auch die grundsätzlichen Fragen noch nicht beantwortet sind, die sie aufwirft: Ist die EU eine Schicksalsgemeinschaft? Wo liegen ihre Grenzen ideell und territorial? mehr...

  • Hauptversammlung in München / ADAC für mehr Markttransparenz bei Spritpreisen / BMW-Chef plädiert für Kaufanreize bei Elektroautos München (ots) - Die vom Bundeskabinett beschlossene Meldestelle zur Kontrolle der Preispolitik der Ölkonzerne darf nach Ansicht von ADAC Präsident Peter Meyer auf keinen Fall ein "Datenfriedhof" werden. "Dieses Instrument für mehr Markttransparenz sollte eine Art "Online-Börse" werden, die von Mineralölindustrie, Behörden und Kartellamt und vor allem auch von Verbrauchern aktuell einsehbar und auswertbar ist", so Meyer anlässlich der ADAC Hauptversammlung am 5. Mai 2012 in München. Um die in den vergangenen drei Jahren um über mehr...

  • NRZ: Nach Ausschreitungen von Salafisten: Gewerkschaft der Polizei fordert Einschränkung von Demonstrationsrecht - Ausschluss von polizeibekannten Gewalttätern Essen (ots) - Der Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine Einschränkung des Demonstrationsrechts für polizeibekannte Gewalttäter. "Es muss in Zukunft auch im Versammlungsrecht möglich sein, zur Gefahrenabwehr Gewalttäter und Personen, die zur Gewalt aufrufen, von einzelnen Demonstrationen auszuschließen", sagte NRW-GdP-Chef Frank Richter der in Essen erscheinenden Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung (NRZ, Montagausgabe. Richter reagierte mit der Forderung auf die Ausschreitungen von Salafisten bei einer Pro-NRW-Kundgebung mehr...

  • Der Tagesspiegel: Aigner will Bauern in Entwicklungsländern vor Investoren schützen Berlin (ots) - Berlin - Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will Bauern in Entwicklungsländern besser vor Eingriffen von Investoren schützen. "Wir wollen die Menschen in Entwicklungsländern gezielt stärken, damit sie aus eigener Kraft ihre Existenz sichern können", sagte Aigner dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Montagsausgabe, 7. Mai 2012). "Sichere Zugangsrechte zu Land und anderen produktiven Ressourcen sind für die Menschen in ländlichen Gebieten lebensnotwendig." Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an: mehr...

  • Der Tagesspiegel: Kommunen befürchten Scheitern der Energiewende Berlin (ots) - Berlin - Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zweifelt am Erfolg der Energiewende. "Wir stehen da an einem ganz schwierigen Punkt und können auch ein Scheitern nicht mehr ausschließen", sagte Stephan Weil, Präsident des VKU, dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Montagsausgabe, 7. Mai 2012). Weil, der auch Oberbürgermeister von Hannover und Landesvorsitzender der SPD ist, vermisst "ein Drehbuch und einen Plan für die Energiewende. Die Bundesregierung hat eine Revolution für einen ganzen Wirtschaftszweig ausgerufen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht