(Registrieren)

DER STANDARD-KOMMENTAR "Löcher stopfen statt Weichen stellen" von Andreas Schnauder

Geschrieben am 14-02-2012

Während Reformen vertagt werden, sinkt die Bonität Österreichs
weiter
- Ausgabe vom 15.2.1012

Wien (ots) - Wer hätte das gedacht: Die Regierung rettet die
Republik vor den Finanzhaien, verlangt allen möglichen
Bevölkerungsschichten große Opfer ab, und die zum 26,5 Milliarden
Euro schweren Aderlass vergatterten Gruppen stimmen den Maßnahmen
auch noch - wenngleich zähneknirschend - zu. Kaum Querschüsse,
Proteste oder gar Streiks.
Für dieses sensationelle Ergebnis gibt es nur zwei
Erklärungsmöglichkeiten: Entweder wurden Regierungschef Faymann und
Vizekanzler Spindelegger bisher maßlos unterschätzt; oder es stimmt
etwas nicht mit dem Sparpaket. Auf Letzteres deuten leider sehr viele
Anzeichen hin, während sich die Genialität der Regierung im
Wesentlichen auf die Vermarktungsstrategie beschränkt.
In der Kommunikation wurde der neue Budgetfahrplan mit Superlativen
gespickt, bei den Inhalten dominiert Mittelmaß. Allein schon bei der
Größenordnung: Die 26,5 Milliarden stellen eine ziemlich willkürliche
Addition der jährlichen Konsolidierungsmaßnahmen dar. De facto sinkt
das Defizit gegenüber dem ursprünglichen Plan um neun Milliarden, was
auch den ursprünglich angestellten Planungen entspricht. Die
künstliche Vermehrung dient wohl dazu, die bescheidenen Ambitionen zu
kaschieren. Zum Vergleich: 1996 senkten Viktor Klima und Wolfgang
Schüssel binnen zweier Jahre das Defizit um 3,5 Prozentpunkte des
Bruttoinlandsprodukts, während nun 2,5 Prozent in fünf Jahren
angepeilt sind (inklusive aller bereits ausführlich beschriebenen
Wackelkandidaten wie Finanztransaktionssteuer, Steuerabkommen mit der
Schweiz usw.).
Nicht einmal die Vorgaben der EU werden eingehalten: Für
Defizitsünder gilt die Auflage, das strukturelle Defizit pro Jahr um
0,75 Prozent zu senken, was heuer klar verfehlt wird. Damit ist die
von der Regierung getätigte Ansage, Österreich löse sich mit dem
Paket rasch vom europäischen Schuldenpranger, gewagt.
Noch schwerer wiegt der Mangel an Strukturreformen, ohne die keine
Ausgabendynamik in den Griff zu bekommen ist. An der Einnahmenseite
liegt es nicht: Allein der Bund hat im Vorjahr mehr als vier
Milliarden zusätzlich aus den Bürgern und Unternehmen gepresst.
Gesamtstaatlich sprudelten 2011 um zwölf Milliarden Euro mehr in die
öffentlichen Kassen als 2009, dennoch wird munter mit der Finanzkrise
argumentiert, die dem Staatshaushalt zu schaffen mache.
Tatsächlich sind die Kosten explodiert, und das wird sich mangels
echter Einschnitte nicht ändern. Ebenso wie Bankenabgabe, höhere
Mineralölsteuer und Energieabgabe lediglich zum Stopfen neuer Löcher
verwendet wurden, werden Solidarbeitrag, Immobiliensteuer und höhere
Sozialbeiträge versickern. Ohne Bundesstaatsreform und weit höhere
Abschläge für Frühpensionen wird keine echte Trendwende eingeleitet,
dafür die Bonität des Landes immer stärker nach unten revidiert.
Während die Regierung ihr Werk preist, werden Weichenstellungen auf
den St. Nimmerleinstag verschoben: Die von Maria Fekter vollmundig
verkündete Vereinfachung des Abgabensystems (Stichwort:
Einheitstarif); eine Ökologisierung des Steuersystems sowie die
Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuer, die zur
Senkung der lohnabhängigen Abgaben und für Investitionen in Bildung
und Forschung verwendet werden sollten - all das sind Themen für den
nächsten Wahlkampf.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

378346

weitere Artikel:
  • WAZ: Umweltsauerei auf hoher See - Kommentar von Gerd Heidecke Essen (ots) - Der Hochseeverkehr hat in den letzten Jahren Luft- und Landverkehr beim Schadstoffausstoß eingeholt, weil auf dem Meer praktisch keine Umweltauflagen gelten. Dass der globale Warenaustausch inzwischen zu 90 Prozent von Hafen zu Hafen läuft, ist kein Argument für eine hemmungslose, nur den Kosten geschuldeten - ja: Sauerei durch den Schweröleinsatz. Dazu kommt die zunehmende Umweltbelastung in den Hafenstädten, denn mangels passender Stromversorgung am Kai treiben die Schiffsmotoren rund um die Uhr die Generatoren an, mehr...

  • Börsen-Zeitung: Von wegen Ausblick negativ, Kommentar zur Moody's Herabstufungswelle von Detlef Fechtner Frankfurt (ots) - Natürlich kann man die Sache so sehen: Wieder einmal stuft eine Ratingagentur die üblichen Verdächtigen in der Eurozone herab - darunter Italien, Spanien, Portugal. Zudem wird Frankreich und Österreich der Verlust der Bestnote angedroht. Erneut werden Sorgen geäußert, dass Banken noch mehr staatliche Hilfen brauchen könnten und versprochene Reformen ausbleiben. Alles zusammengenommen muss man deshalb eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Staatsschuldenkrise weiter eskaliert und das Vertrauen weiter erodiert. mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum ostwestfälischen Wirtschaftsboom Bielefeld (ots) - Allem Krisengerede zum Trotz zeigt die ostwestfälische Wirtschaft einmal mehr Robustheit - und ihre ganze Stärke. Auch wenn die Wirtschaftskrise 2009 insbesondere die Industriebetriebe in der Region hart getroffen hat, ist das erstklassige Comeback jetzt beeindruckend mit neuen Rekordzahlen schwarz auf weiß belegt. Beim genauen Blick auf die Branchen wird zwar deutlich, dass längst nicht alle gleichermaßen gut aus dem tiefen Tal herausgekommen sind. Dass die Wirtschaft in Ostwestfalen trotzdem schon im Jahr zwei mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu China / Euro Osnabrück (ots) - Versöhnliches China China denkt um. Bisher wehrte sich Peking standhaft gegen allzu umfassende Hilfsmaßnahmen für den Euro. Jetzt signalisiert Regierungschef Wen Jiabao ein Einlenken. Es ist höchste Zeit. Schon viel zu lange weigert sich China, die Realitäten der Weltwirtschaft anzuerkennen. Das Land ist längst zu einem wichtigen Teil des globalen ökonomischen Systems geworden. Bekommt China einen Schnupfen, husten die USA oder Europa. Umgekehrt ist die Ansteckungsgefahr aber mindestens genauso hoch. mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Elefanten im Porzellanladen - Kommentar Leutkirch (ots) - Da bereitet sich die Politik darauf vor, ein neues Hilfspaket zu schnüren. Und pünktlich treten die Rating-Agenturen in die Öffentlichkeit, um mal wieder blockweise Euro-Länder abzustufen. Das ist frustrierend und verstärkt die Schuldenkrise in Europa. Staaten mit einer guten Bonität können sich günstig Geld leihen. Doch wenn die Rating-Agenturen sie abwerten, steigen die Kosten in die Höhe. Anstatt Geld in Strukturen stecken zu können, heißt es dann erst mal Zinsen zahlen. Wenn Anleger einer Anlage misstrauen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht