(Registrieren)

Zorn, Scham und Trauer - Erklärung des Parteivorstandes und der Fraktion DIE LINKE zum 70. Jahrestag der Wannseekonferenz

Geschrieben am 17-01-2012

Berlin (ots) - Am 20. Januar 1942, vor siebzig Jahren, wurden in
Berlin-Wannsee die organisatorischen Grundlagen für die vollständige
Vernichtung der Jüdinnen und Juden Europas festgelegt. Die
industrielle Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden ist und
bleibt ein unfassbares Menschheitsverbrechen, mit nichts in
Geschichte und Gegenwart gleichzusetzen.

Zorn, Scham und Trauer erfüllen uns, die Nachgeborenen, angesichts
der Tatsache, dass es den Nazis gelungen war, die deutsche
Gesellschaft zu einem Teil der Organisierung des Massenmordes zu
machen. Die Deutsche Bahn und Fuhrunternehmen haben den Transport in
die Todesfabriken organisiert und durchgeführt. Wehrmacht, Polizei,
SA und SS trieben die Menschen zusammen, Mediziner planten die
Vernichtung und wirkten daran mit. Richter und Rechtsanwälte
rechtfertigten die Vernichtung und nahmen aktiv am Raub jüdischen
Vermögens teil. Großkonzerne und Banken schlugen zusätzlichen Profit
aus dem System "Vernichtung durch Arbeit". Unternehmen wie Degussa,
Siemens und die Deutsche Bank, IG Farben oder Thyssen und Krupp
profitierten aus Elend und Tod, sogar aus der Vernichtung selbst.

Zorn, Scham und Trauer erfüllen uns auch angesichts der Tatsache,
dass der Umfang und die Brutalität der Nazi-Verbrechen über
Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland eher verschwiegen und
verharmlost wurden. Ganze Bereiche der bundesdeutschen Gesellschaft
wurden vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts pauschal von ihrer
Verantwortung freigesprochen. Es dauerte lange, bis
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entschädigt wurden, ehe die
Justiz Nazi-Verbrechen verfolgte, und noch länger wurde die Existenz
von "furchtbaren" Richtern und Anklägern verschwiegen. "Wir haben
nichts gewusst, und wir konnten nichts tun" - diese Ausflüchte
bestimmten über Jahrzehnte vor allem in Deutschland West das
öffentliche Bewusstsein. Bis heute steht die Aufarbeitung der
Verstrickung in Nazi-Verbrechen in großen gesellschaftlichen
Bereichen, von Ministerien und staatlichen Behörden, von Banken und
Großkonzernen aus. Der Schoß, aus dem das kroch, bleibt fruchtbar
noch, das erleben wir angesichts der rechten Terrormorde in diesen
Tagen.

Zorn, Scham und Trauer empfinden wir auch, weil
Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen die
Nazi-Verbrecher der ihnen zustehende Respekt und die Anerkennung oft
und zu lange versagt wurden. Wir erinnern an mutige Juristen wie den
hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der Auschwitz vor Gericht
brachte. Wir danken Beate und Serge Klarsfeld für ihr Engagement,
auch für die Ohrfeige an Ex-Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Diese
Ohrfeige war die Antwort auf das moralische und politische Versagen,
Schuld einzugestehen. Sie galt nicht nur der konkreten Person,
sondern einer politischen Klasse, die sich nicht mit ihrer
Verantwortung und ihrem Versagen auseinandersetzen wollte. Wie in Yad
Vashem die Mauer der Gerechten an die Namen und Taten derjenigen
erinnert, die Widerstand leisteten, ist solch eine Erinnerung in
Deutschland nötig. Es ist gut, dass das Holocaust-Mahnmal in Berlin
errichtet wurde.

DIE LINKE wird überall Faschismus, Rassismus und Antisemitismus
anprangern, ohne Ausnahme. Gerade angesichts des rechten Terrors in
unserem Land bekräftigen wir: Faschismus ist keine Meinung,
Faschismus ist ein Verbrechen! Das gilt überall, in unserem Land und
in Europa. Das Menschheitsverbrechen der Vernichtung der europäischen
Jüdinnen und Juden bestimmt auch unser Verhältnis zum Staat Israel.
Wir verstehen, dass sich die Vereinten Nationen angesichts der
Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden und der
Unfähigkeit und Unwilligkeit vieler europäischer Länder, ihnen zu
helfen, für die Gründung des Staates Israel entschieden haben. Wir
wollen das, was wir tun können, leisten, um dazu beizutragen, dass
Israel Seite an Seite mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat
im Nahen Osten ein Beispiel für Aussöhnung setzt.

Nur wer sich erinnert und Schlussfolgerungen zieht, will aus der
Geschichte lernen.



Pressekontakt:
Hendrik Thalheim
Pressesprecher
Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Telefon +4930/227-52800
Telefax +4930/227-56801
pressesprecher@linksfraktion.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

373253

weitere Artikel:
  • Mietrechtsänderung: Bundesregierung droht erneut Chancen für mehr Klimaschutz zu verspielen Berlin (ots) - Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe kritisiert geplante Mietrechtsänderungen als "bedeutungslos für die Klimaschutzziele der Regierung" - Gesetzentwurf enthält keine effektiven Anreize für Vermieter, Wohnungen zügig und qualitativ hochwertig energetisch zu sanieren - Energetischer Standard von Mietwohnungen soll bei Vergleichsmieten auch in Zukunft keine Rolle spielen - Vorlage reizt eher Luxussanierungen an und verändert Mietrecht zu Lasten der Mieter - Politische Blockade bei steuerlichen Anreizen zur Gebäudesanierung mehr...

  • Söder fordert gemeinsame Position der Koalition zur Finanztransaktionssteuer/ Europäische Rating-Agentur wünschenswert Bonn (ots) - Bonn/München, 17. Januar - Der bayerische Finanzminister Markus Söder fordert eine gemeinsame Position für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. "Wir spüren, dass die Finanzmärkte nach wie vor unkontrolliert sind. Wir brauchen Lenkungswirkungen und Transparenz. Eine Finanztransaktionssteuer ist da nur der erste Schritt. Da muss es doch eine Lenkungswirkung geben. Und die hoffen wir auch für die gemeinsame Koalition", sagte er im PHOENIX-Interview. Eine Einführung dieses Steuerungsinstruments könne auch ohne mehr...

  • NABU: Nach menschlicher Tragödie der "Concordia" droht eine Umweltkatastrophe / Verunglücktes Kreuzfahrtschiff hat Tausende Tonnen Schweröl gebunkert Berlin (ots) - Nach den menschlichen Tragödien auf dem verunglückten Luxusliner "Costa Concordia" vor der Mittelmeerinsel Giglio droht jetzt auch noch eine Umweltkatastrophe, denn das Schiff hat bis zu 2400 Tonnen Diesel- und Schweröl als Treibstoff gebunkert, warnt NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Natürlich steht die Rettung der Vermissten im Vordergrund. Doch zugleich wächst die Gefahr, dass das havarierte Schiff, das nahe dem Hafen Giglio Porto in knapp 30 Meter Wassertiefe auf Grund liegt und fast 80 Grad Schlagseite hat, am steilen mehr...

  • Pevions therapeutischer Candida-Impfstoff erzeugt in allen Probandinnen ein funktionales immunologisches Gedächtnis Ittigen, Schweiz (ots) - Pevion Biotech AG gab heute weitere Ergebnisse aus der aktuellen klinischen Studie des therapeutischen Candida Impfstoffs PEV7 bekannt. Diese Daten zeigen, dass PEV7 einen spezifischen und funktionalen Memoryeffekt in allen Probandinnen hervorruft. Diese Ergebnisse bestätigen die Leistungsfähigkeit von Pevions Virosomentechnologie hinsichtlich einer starken und langandauernden humanen Immunität bei ansonsten schwach wirkenden Antigenen. Nach den erst kürzlich veröffentlichten positiven Daten in Bezug mehr...

  • Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), über den Fachkräftemangel in Deutschland: "Deutsche Auslandsschulen haben eine wichtige Brücken- und Mittlerfunktion" Köln (ots) - Im Interview spricht der Arbeitsmarktexperte über strategische Maßnahmen, das Fachkräfteangebot zu steigern: Ein flächendeckender Fachkräftemangel bestehe in Deutschland derzeit nicht, erläutert Alt im Gespräch mit der Zeitschrift "BEGEGNUNG. Schulische Arbeit im Ausland", die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) im Auftrag des Auswärtigen Amts herausgegeben wird. "Noch nicht!", betont das BA-Vorstandsmitglied. Der Experte sieht derzeit Engpässe bei Ingenieurinnen, Ingenieuren und IT-Fachleuten, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht