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Westdeutsche Zeitung: Ein höchstrichterliches Achselzucken Ein Kommentar von Peter Kurz

Geschrieben am 07-09-2011

Düsseldorf (ots) - Eines lässt sich ganz bestimmt nicht aus dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts herauslesen - dass die Richter
glauben, die Rettungsaktion für schlingernde Euro-Staaten werde
sicher funktionieren. Aus Karlsruhe kommt da eher ein
höchstrichterliches Achselzucken: Es ist nicht unsere Sache, darüber
zu entscheiden. Das ist Finanzpolitik, und da sind wir keine
Experten.

Sie nehmen sich sehr zurück, die obersten Verfassungsrichter. Ganz
anders, als wir es sonst von der selbstbewussten Institution gewohnt
sind. Und das angesichts einer wahrhaft atemberaubenden Dimension,
die die Angelegenheit hat.

Da denken die Richter durchaus darüber nach, dass Deutschland in
Folge der gegebenen Garantiezusagen möglicherweise sogar mit 170
Milliarden Euro zur Kasse gebeten wird und haben doch nur zur
Antwort: Selbst das wäre noch durch Einnahmesteigerungen,
Ausgabenkürzungen und über längerfristige Staatsanleihen
finanzierbar. Heißt aus Bürgersicht: 1. Steuererhöhung, 2. Sparen
(Soziales, Bildung etc.) und 3. weitere Verschuldung (Belastung
nachfolgender Generationen). Aber darüber zu entscheiden - das
überlassen die Richter der Politik.

An anderer Stelle kommen sie auf eine weitere mögliche Konsequenz
der Schuldenkrise zu sprechen, die kaum weniger beängstigend ist als
die anderen drei: Inflation. Doch auch hier ziehen sie sich zurück.
Es sei nicht ihre Aufgabe, finanzpolitische Maßnahmen auf ihre
negative Folgewirkungen für die Geldwertstabilität zu überprüfen.
Andere müssen das beurteilen, sagen die Juristen. Und spielen den
Ball weiter, stärken nur ein wenig das Parlament gegenüber der
Regierung. Wirklich beruhigend ist das alles nicht.

Übrigens: Das Wort Eurobonds, also die gemeinsamen Anleihen, für
die die Staaten gemeinsam haften, kommt in dem Urteil nicht vor. Und
doch hat Karlsruhe in einem Nebensatz deren Befürwortern einen
Dämpfer erteilt - mit der Warnung, dass sich Deutschland "keinem
unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren
Automatismus einer Haftungsgemeinschaft unterwirft". Wenigstens
insoweit liefert das ansonsten durch vornehme oder ratlose
Zurückhaltung geprägte Urteil eine gewisse Leitlinie.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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