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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Gewerkschaften/1. Mai

Geschrieben am 28-04-2011

Bielefeld (ots) - Stell dir vor, es ist 1. Mai und keiner geht zur
Kundgebung. Die Gewerkschaften tun sich in diesem Jahr extrem schwer,
den »Tag der Arbeit« ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Das liegt
nur zum Teil an der heute in London stattfindenden »Hochzeit des
Jahres«. Wichtiger ist da, dass der 1. Mai diesmal auf einen Sonntag
fällt und den Beschäftigten dadurch ein arbeitsfreier Tag verloren
geht. Der Hauptgrund aber ist: Die Arbeitswelt hat sich in
Deutschland in einer Weise verändert, dass rote Fahnen heute
außerhalb von Museen eher deplatziert wirken. Gute Zeiten, die von
einer anziehenden Konjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit geprägt
sind, gelten eigentlich auch als gute Zeiten für die Gewerkschaften.
Wann, wenn nicht jetzt, können sie Lohnerhöhungen durchsetzen? Wann,
wenn nicht jetzt, zeigen Streiks auch Wirkung? In ganz schlechten
Zeiten, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist und das Auftragsbuch leer,
sparen Unternehmer gern mal Personalkosten, indem die Beschäftigten
aus der Streikkasse bezahlt werden. Auf der anderen Seite gilt: Nur
Not schweißt zusammen. Wenn es den Beschäftigten gut geht, ist
mancher versucht, Solidarität gering und nur auf das eigene Salär zu
achten. Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit, das große
Gewerkschaftsthema in den achtziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, hat sich erledigt. Der immer offener zutage tretende
Mangel an Fachkräften führt dazu, dass die kleinen Errungenschaften
Schritt für Schritt zurückgedreht werden. Mit der Leiharbeit haben
die meisten Gewerkschaften ihren Frieden gemacht, seit die Branche
bereit ist, Tarifverträge zu vereinbaren, die diesen Namen verdienen.
Das neue Thema Mindestlohn, das 2011 als die zentrale Forderung zum
1. Mai präsentiert wird, hat nur eine begrenzte Relevanz. In den
wichtigsten Branchen haben die Tarifpartner längst Mindestlöhne
vereinbart, die auch für allgemeinverbindlich erklärt wurden. So
werden sich auch in den Gewerkschaften kaum Mitglieder finden, die
das Thema tatsächlich persönlich betrifft. Nicht alle empfinden die
Zeiten heute als gut. So manches Unternehmen und manche Branche
stecken weiter in der Kostenfalle. Steigen die Personalausgaben,
müssen die Arbeitgeber oft entweder Stellen abbauen oder ins Ausland
verlagern. Da sind die Investitionen hoch und der Erfolg ungewiss.
Also sitzen die Arbeitnehmer in einem Boot mit ihren Chefs,
insbesondere mit den standorttreueren Familienunternehmern. Schlechte
Zeiten für die Gewerkschaften sind nur bedingt gute Zeiten für die
Unternehmer. Viele von denen, die aus der Tarifgemeinschaft
ausgestiegen sind, haben dies bereits leidvoll feststellen müssen. Es
mag nicht angenehm sein, mit einem Gegner zu kämpfen, der gut
organisiert ist. Doch ohne ihn holt sich der Betrieb den Konflikt ins
eigene Haus. Die Folgen sind langfristig und viel gravierender.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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