(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Die Angst hat einen Namen Warum Fukushima nicht Tschernobyl ist

Geschrieben am 21-03-2011

Cottbus (ots) - Vom ersten Tag der Atomkatastrophe in Japan an
hatte die Angst einen Namen: Tschernobyl. Der Gau von 1986 ist die
Projektionsfläche, auf der die Welt nach Erklärungen und Gewissheiten
sucht, um den Schrecken von Fukushima fassbar zu machen. Tatsächlich
drängen sich Parallelen auf. Da ist die evakuierte Zone rund um die
Reaktoren, da sind die Liquidatoren, die das nukleare Feuer
bekämpfen. Inzwischen gibt es sogar Planspiele, den Atomschrott in
Fukushima unter einem Sarkophag zu begraben, wie es ihn auch in
Tschernobyl gibt. Dennoch: Fukushima ist nicht Tschernobyl! Und das
hat nicht allein damit zu tun, dass der Gau bislang ausblieb. Die
Unterschiede liegen vor allem im Umgang der offeneren japanischen
Gesellschaft mit dem Unglück im Vergleich zu der menschenverachtenden
Ignoranz, mit der die Sowjetunion 1986 auf die Atomkatastrophe
reagierte. Es gibt in Japan viel zu kritisieren. Die Regierung hielt
Informationen zurück, die Notfallpläne waren dilettantisch
ausgearbeitet. Am Montag räumte der Betreiber des Atomkraftwerks ein,
bei den Sicherheitskontrollen geschlampt zu haben. All das ist
unverantwortlich und fahrlässig. Für Tschernobyl dagegen fehlen
entsprechende Wörter, um über das Unfassbare zu urteilen.
Atomtechniker experimentierten damals am Reaktor herum und jagten ihn
schließlich in die Luft. Um den Gau einzudämmen und die Katastrophe
geheim zu halten, verheizte die Führung "Menschenmaterial". Soldaten
mussten wochenlang ungeschützt am offenen Reaktorkern arbeiten. Die
Bevölkerung selbst erfuhr offiziell zunächst nichts. Höhepunkt des
Zynismus waren die Paraden am 1. Mai, zu denen man fünf Tage nach der
Atomexplosion selbst Kinder und alte Leute auf die Straßen schickte -
mitten in den radioaktiven Fallout. Diese Unterschiede festzuhalten,
ist wichtig. Denn wem die Maßstäbe abhanden kommen, der ist zu keiner
rationalen Gefahrenanalyse mehr in der Lage. Deshalb sind auch die
hysterischen Reaktionen in Deutschland auf Fukushima so ärgerlich.
Keine Frage: Die Atomenergienutzung ist eine Hochrisikotechnologie,
aus der wir aussteigen sollten - je früher, desto besser. Gewonnen
wäre damit jedoch wenig, solange im erdbebenbedrohten Iran russische
Nukleartechniker einen Reaktor auf Betriebstemperatur bringen. Das
darf keine Ausrede sein. Bedenken sollten wir es dennoch.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

322146

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Landtagswahlen Es bleibt spannend ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Selten war die Gemengelage vor einer Landtagswahl so schwierig und so spannend wie vor der Baden-Württemberg-Wahl. Selbst erfahrene Meinungsforscher wagen keine Prognose. In Sachsen-Anhalt hat das Kernenergie-thema keine entscheidende Rolle gespielt - das könnte in Baden-Württemberg schon ganz anders sein. Sachsen-Anhalt zeigt aber eine Tendenz: Die Kehrtwende in der Atompolitik schadet vor allem der FDP. Den Liberalen nimmt man den Sinneswandel am wenigsten ab. Auch die Linke, der in der Energiepolitik und auch mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Libyen Osnabrück (ots) - Araber an die Spitze der Bewegung Bald wird sich zeigen, wer Recht hat: Russlands Regierungschef Wladimir Putin, der den Angriff mehrerer NATO-Staaten auf libysche Regierungstruppen mit einem Kreuzzug vergleicht. Oder die Kritiker der deutschen Kriegs-Enthaltung, die darauf verweisen, die internationale Gemeinschaft, wer immer das sein soll, vollbringe ein gutes Werk durch ihre Luftschläge. Wenn diese Gemeinschaft so international ist und ihre Sache so gerecht, wird sich zweifellos bald jemand ins Oberkommando mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Landtag / Sachsen-Anhalt Osnabrück (ots) - Schön- geredet Alles halb so schlimm? CDU-Chefin Angela Merkel tut so, als hätte die Union in Sachsen-Anhalt am Sonntag einen tollen Erfolg errungen. Sie ist offenbar heilfroh, dass es trotz des Atom-Wackelkurses bei einem 3,7-Prozent-Dämpfer blieb. Die Delle der Union wird nun mit dem "Böhmer-Effekt" schöngeredet. Der beliebte Magdeburger Ex-Ministerpräsident sei als Zugpferd so schnell nicht zu ersetzen. Demonstrativ spielen die Christdemokraten die erste große Abstimmung nach dem Atom-Desaster zu regionalpolitischem mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Nahost Osnabrück (ots) - Deutsche Strategie gefragt In Tunesien nahm die Welle ihren Anfang, in Ägypten setzte sie sich fort. In Libyen wandelte sie sich zum Bürgerkrieg. In Syrien, dem Jemen und anderen Ländern ist die Lage offen, aber in Bewegung. Damit ist klar, was noch zu Jahresbeginn kaum jemand vorherzusagen vermochte: Aus sporadischen Demonstrationen in einer staubigen Kleinstadt entstand ein breiter Protest, der die ganze Welt bewegt. Trotz der Bomben auf Libyen, trotz der blutigen Bilder aus dem Jemen bleibt diese Wandlung mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Kritik am NRW-Nichtraucherschutzgesetz Rauchfrei stellen PETER JANSEN, DÜSSELDORF Bielefeld (ots) - Schon bei der Verabschiedung des Nichtraucherschutzgesetzes in NRW war vielen klar, dass die von CDU und FDP ausgehandelten Regelungen mehr der Besänftigung der einflussreichen Nichtraucherlobby als einem wirklichen Schutz vor Tabakqualm dienten. Zu kompliziert waren die Bestimmungen, zu umfangreich die Ausnahmeregelungen, zu lasch die Kontrollen. Die Ermittlungen des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Verbraucherschutzzentrale belegen, dass durch das NRW-Gesetz Gäste und Personal in Gaststätten, Bars und mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht