(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zu Bundeswehr

Geschrieben am 20-01-2011

Regensburg (ots) - Bundeswehr außer Tritt

Kritik Eine Reihe schlimmer Verfehlungen trübt das Bild der
Truppe, die im größten Umbau ihrer Geschichte steckt. Solche
Schlagzeilen hat sich Strahlemann-Verteidigungsminister Karl-Theodor
zu Guttenberg ganz und gar nicht gewünscht. Gerade schickt der
CSU-Mann die deutsche Armee in die Rosskur der tief greifendsten
Reform ihrer 55-Jährigen Geschichte, schafft er de facto die
Wehrpflicht ab und macht die Truppe fit für weltweite
Militärmissionen. Und nun das. Auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock",
einem Aushängeschild der Marine, soll es nach einem tödlichen Unfall
einer Offiziersanwärterin Druck, Schikane und schließlich Meuterei
gegeben haben. Der Tod eines Soldaten in Afghanistan könnte durch
Unachtsamkeit eines Kameraden herbeigeführt worden sein und nicht von
ihm selbst, wie es bislang hieß. Es gibt außerdem mysteriöse Fälle
von Schnüffeleien in Feldpostbriefen. Zu Guttenberg hat
richtigerweise umfassende Aufklärung angeordnet. Flotte Urteile und
wohlfeile Vorverurteilungen verbieten sich. Doch die schlimmen
Verfehlungen trüben das Bild der Truppe ausgerechnet jetzt, wo sich
die Bundeswehr an Haupt und Gliedern erneuern soll. Zur Ehrenrettung
der deutschen Armee gehört jedoch, dass die gravierenden Vorkommnisse
nicht unter den Teppich gekehrt, sondern auf offener Bühne verhandelt
werden. Der Wehrbeauftragte, um den die Bundeswehr von anderen Armeen
beneidet wird, hat sich wieder einmal als segensreiche Einrichtung
erwiesen. Es gibt eine Art Kummerkasten der Nation, an den sich die
Soldaten jederzeit wenden können, ohne dass ihre Anliegen auf dem
üblichen Dienstweg abgebürstet werden. Wenn es den Wehrbeauftragten
des Bundestages - also relativ unabhängig von den militärischen
Strukturen - nicht schon seit Jahrzehnten gäbe, man müsste ihn jetzt
glatt erfinden. Minister "KT" zu Guttenberg jedoch muss, wie zuletzt
im Fall der Luftschläge bei Kundus mit über 100 zivilen Opfern, nun
den, im wahrsten Sinn des Wortes, Verteidigungsminister geben. Er
muss den Ruf der Armee verteidigen, in der eben nicht mehrheitlich
gewissenlose Schleifer das Kommando führen, sondern
verantwortungsbewusste Vorgesetzte. Einzelne Verfehlungen nicht
ausgeschlossen. Doch genau um die geht es nun. Dass es zu den
schlimmen Vorfällen gekommen ist, zeigt nämlich auch, dass die
Grundsätze der inneren Führung nicht immer und nicht überall so
umgesetzt werden, wie sie gedacht sind. Zu denken geben muss auch,
dass die jüngsten Vorkommnisse nicht auf dem "normalen" Dienstweg an
die militärische und politische Führung der Bundeswehr gelangten,
sondern über den Sonderweg des Wehrbeauftragten. Auch zu Guttenberg
muss sich fragen, wie durchlässig und unbürokratisch die Armee
strukturiert ist. Das gilt auch mit Blick auf anstehende
Umstrukturierung, wenn künftig nur noch Zeit- und Berufssoldaten
sowie freiwillige Wehrpflichtige in der Armee dienen werden. Dann
darf sich die Bundeswehr erst recht nicht abschotten von der
Gesellschaft, dann darf nicht falscher Korpsgeist die Oberhand
gewinnen. Auch dann muss die Armee demokratisch-parlamentarischer
Kontrolle unterliegen. Archaische Härterituale, wie sie in Armeen
immer wieder vorgekommen, verantwortungslose und unsinnige Befehle
oder auch blinder Gehorsam passen zur Berufs-Bundeswehr genau so
wenig wie zur Wehrpflicht-Armee. Und zu Guttenberg muss höllisch
aufpassen, dass sein strahlendes Saubermann- und Macher-Image nicht
durch ähnliche Vorfälle, vor allem aber durch deren unzureichende
Aufklärung, Schrammen bekommt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

311596

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Maut rückt näher Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Klaus Peter Kühn: Allmählich kreisen die Maut-Staaten Deutschland ein. Nach Österreich, der Schweiz und Frankreich will jetzt auch Belgien die Autofahrer zur Kasse bitten. So schön es für unsere Nachbarn vielleicht sein mag, dass sich Flamen und Wallonen ausnahmsweise einmal in einer Angelegenheit einig sind, so misslich ist diese Entwicklung für die Nachbarn. Zum einen müssen wir künftig zahlen, wenn wir an die belgische Küste, durch den Kanaltunnel oder nach Frankreich wollen. Zum anderen mehr...

  • Rheinische Post: Schengen-Club Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Matthias Beermann: Das Schengen-Abkommen ist eine feine Sache. Für die 400 Millionen Europäer, die innerhalb der 25 Mitgliedsstaaten ohne lästige Passkontrollen herumreisen können. Und für Staaten wie Deutschland, die geografisch im Zentrum der Schengen-Zone liegen und sich seither nicht mehr unmittelbar um die illegalen Einwanderer kümmern müssen, die eine der Außengrenzen der EU überwinden. Denn es sind jene EU-Mitgliedsstaaten für das Asylverfahren zuständig, über die die Flüchtlinge zuerst mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Kommentar zu den Vorfällen bei der Bundeswehr Rostock (ots) - Berichte über Schikane und Druck an Bord der "Gorch Fock", über mysteriöse Schnüffelei in der Feldpost aus Afghanistan und nun auch noch über den Unfalltod eines Soldaten, der möglicherweise versehentlich durch einen Kameraden erschossen wurde. Drei Einzelfälle, gewiss. Aber ein Eindruck drängt sich auf, jedenfalls zum Fall "Gorch Fock" und dem Soldatentod: ein Bestreben der Truppe, die Dinge kleinzureden, vielleicht sogar zu vertuschen. Korpsgeist oder Angst? So, wie es aussieht, hat die militärische Führung die mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Kommentar zur Kürzung der Solarförderung Rostock (ots) - Es ist vernünftig, der überdimensionierten Förderung ein Ende zu setzen. Denn die Kosten dafür muss der Kunde über den Strompreis bezahlen. Und die Strompreise stiegen erst zu Jahresbeginn wieder kräftig. Als der Stufenplan zur Kürzung der Solarförderung 2010 erstmals griff, ging ein Aufschrei durch die Branche. Hersteller von Solarmodulen fürchteten um ihren Absatz. Ganz unnötig, wie sich zeigte. Obwohl Neueinsteiger jetzt weniger verdienen, werden sogar mehr Solaranlagen verkauft. Denn mit Sonnenstrom lässt sich mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar zur "Gorch Fock" Ulm (ots) - Die Meuterei auf der "Gorch Fock". Kein Stoff für einen Film, wohl aber für eine Eingabe an den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus. Besatzungsmitglieder der Marine begehren auf, weil sie sich von Vorgesetzten unter Druck gesetzt fühlen. Das hat etwas. Oder sollte alles ganz harmlos gewesen sein, wie Königshaus' moderate Aussagen gestern nahelegten? Die Vorgänge auf dem prestigeträchtigen Windjammer bedürfen rückhaltloser Aufklärung - alleine schon, um das Ansehen jener Soldaten zu wahren, die ihren Dienst korrekt versehen. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht