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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 9. August die einstweilige Verfügung gegen den Lokführer-Streik:

Geschrieben am 08-08-2007

Bremen (ots) - Schienen und Schranken
Von Joerg Helge Wagner
Was stößt auf noch weniger Verständnis als ein Bahnstreik zur
Hauptreisezeit mit dem Ziel, eine 31-prozentige Lohnerhöhung
durchzusetzen? Das gerichtliche Verbot eben dieses Streiks. Wer sich
die Internet-Foren der ziemlich gewerkschaftsfernen "Frankfurter
Allgemeinen" oder "Welt" ansieht, bemerkt erstaunt: Bei der
mutmaßlich eher konservativ-liberalen Leserschaft überwiegt nicht
etwa Genugtuung. Die große Mehrheit äußert vielmehr ihre Sorge um das
in unserer Verfassung verbriefte Recht der Arbeitnehmer, nicht jedes
Angebot der Arbeitgeber akzeptieren zu müssen und notfalls für
bessere Konditionen auch streiken zu dürfen.
Nun ist eine im Eilverfahren beschlossene einstweilige Verfügung kein
abschließendes Urteil. Sie ist nicht einmal eine Notbremse, um die
aufeinander zurasenden Züge zu stoppen - sie ist bestenfalls eine
Bremse, die das Tempo drosselt. Damit ist sie weder Anlass für
Triumphgeheul noch für Verzweiflungsgezeter.
Allgemeine Aufregung verursacht also eher die schwache Begründung.
"Unverhältnismäßig" finden die Richter den Streik zum einen deshalb,
weil die Möglichkeiten von Tarifgesprächen noch nicht ausgereizt
seien. Aber wie viel Spielraum besteht denn noch, wenn ein
Tarifpartner die Hauptforderung des anderen kategorisch ablehnt, ja
längst dagegen prozessiert?
Noch abenteuerlicher mutet die Begründung an, dass "nicht nur den
Antragstellern, sondern der gesamten Volkswirtschaft insbesondere in
der Hauptreisezeit immense wirtschaftliche Schäden" drohten. Wären
die Schäden denn weniger "immens", wenn Millionen Pendler nach ihrem
Urlaub statt im Blaumann oder im Büro im Stau steckten? Darf also nur
noch gestreikt werden, wenn es ausschließlich die Bahn und ihre
Töchter trifft? Streikverbot für Dienstleister, Versorger,
Zulieferer? Da argumentieren wohl eher die Richter
"unverhältnismäßig".
Im Hauptsacheverfahren wird am 19. September in Frankfurt
entschieden: Setzt sich die Bahn AG dann mit ihrer Klage auf
Tarifeinheit für alle bei ihr Beschäftigten durch, kann die GDL nur
in Berufung gehen. Andernfalls müsste sie sich gleich auflösen, denn
sie würde akzeptieren, dass ihr Hauptziel - ein Spartentarifvertrag
für ihre Mitglieder - nicht rechtens sei. Eine Niederlage kann aber
auch Bahnchef Mehdorn nicht einfach schlucken: Sie würde sein
ambitioniertes Hauptziel - den Börsengang im kommenden Jahr -
zumindest gefährden.
Der Dauerclinch mit seinen wichtigsten Fachkräften - eben den
Lokführern - ist aber auch keine Empfehlung an mögliche Investoren.
Mehdorn kann die Krise nicht aussitzen, selbst wenn Streiks wieder
und wieder verboten werden. Irgendwann wird sein Arbeitgeber, der
Bund als Alleineigentümer der Bahn, ihn zwingen, die Kröte
Spartentarifvertrag zu schlucken. Man wird es nicht auf ein
rechtskräftiges Urteil vor dem Bundesarbeitsgericht ankommen lassen.
Ja, in einer Volkswirtschaft, in der immer mehr Arbeitsplätze
spezielle Qualifikationen erfordern, werden sich die Arbeitnehmer
eher in vielen kleinen, aber schlagkräftigen Gewerkschaften
organisieren. Schlimm? Eher eine Herausforderung an modernes
Management. Die Lufthansa ist schließlich auch nicht abgestürzt, bloß
weil ihre Piloten eigene Tarife fordern.

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

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Rückfragen bitte an:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
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