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WAZ: Nach dem deutschen Gipfel: Merkel, das Klima, Afrika - Leitartikel von Ulrich Reitz, Jürgen Polzin und Hendrik Groth

Geschrieben am 08-06-2007

Essen (ots) - Die Frage, ob ein Mann diesen Gipfel-Erfolg hätte
schaffen können, grenzt an Kaffeesatzleserei. Klar ist aber, dass
jene ganz besondere, große Leistung dieses Mal eben eine Staatsfrau
und kein Staatsmann zu Wege gebracht hat.

Männer machen Geschichte, das war einmal. Die Gipfel-Bilder
sprechen eine ganz eigene Sprache: In dieser Welt aus lauter
Misstrauen hat Angela Merkel das, was Amerikaner "Credibility"
nennen; sie ist jemand, dem man Geld leihen kann. Auf dem
diplomatischen Parkett ist das letzten Endes die entscheidende Größe.

Angela Merkel ist nicht kühl, sondern cool. Sie verbindet
Verbindlichkeit mit Hartnäckigkeit. Sie kann meisterhaft zocken und
dabei dennoch glaubwürdig agieren. Sie verschafft ihrem Wort Gewicht.
Wer die Geschichte großer internationaler Entscheidungen studiert,
weiß, dass am Ende die Chemie, das Persönliche, mindestens ebenso
sehr zählt wie nationale Interessen.

Politik ist die Kunst des Möglichen. Das passt zu Merkels
Persönlichkeit. Sie ist keine verträumte Romantikerin, sondern eine
charmante Vollstreckerin. Offenbar ist das die richtige Mischung im
Umgang mit Alphamännern. Bei aller Kritik im Detail: Angela Merkel
hat Deutschland alle Ehre gemacht.

Welcome back, Mr. Bush
Ein Durchbruch sind die Beschlüsse zum Klimaschutz. Die USA sind
nach sechs Jahren wieder ins Boot der Willigen gestiegen. Und die
G-8-Staaten, die zusammen für 43 Prozent der weltweiten
CO2-Emissionen verantwortlich sind, bekennen sich einmütig zu ihrer
Führungsrolle im Kampf gegen die globale Erwärmung. Im März 2001 war
das Kyoto-Protokoll tot, seit Juni 2007 stehen die Chancen auf ein
Nachfolgeabkommen so gut wie nie. Seeluft tut gut.

Die Nullaussage im Abschlussdokument, die G8 werden eine
CO2-Reduzierung "ernsthaft in Erwägung ziehen", ist bedauerlich, wird
aber überschätzt. Viel wichtiger ist der Schuldschein, den
US-Präsident George W. Bush in Heiligendamm unterzeichnet hat: Bush
erkennt die Ergebnisse des IPCC-Klimareports an (noch vor kurzem
wurde eine Prämie für Wissenschaftler ausgesetzt, die Klimaforscher
widerlegen); Bush ist bereit, Klimaschutz unter dem Dach der
ungeliebten UN zu verhandeln.

Die Musik spielt nun in Bali, wo auf dem nächsten UN-Klimagipfel
im Dezember mit den USA und den Schwellenländern endlich ein fairer,
globaler Pakt geschmiedet werden soll. Ein Gipfel auch mit
innenpolitischer Bedeutung: Schreibt Umweltminister Sigmar Gabriel im
Rampenlicht der Weltpolitik fort, was Kanzlerin Merkel initiierte,
hat Deutschland einen Kanzlerkandidaten und Kurt Beck ein Problem.

Hilfe mit Schönheitsfehlern
Es klingt schon prima, wenn nicht sogar sehr großzügig. 60
Milliarden US-Dollar, um Aids, Malaria und Tuberkulose in Afrika zu
bekämpfen. Der Schönheitsfehler daran: Das Geld reicht nicht. Auf
fünf Jahre gestreckt, sind das zwölf Milliarden Dollar. Die UN
rechnen hingegen vor, dass mindestens 23 Milliarden gebraucht werden.
Die Realität zeigt auch, dass bei der Bereitstellung billiger
Medikamente die Pharmaindustrie mauert und dass die industrialisierte
Welt Ärzte und Krankenschwestern massiv aus Afrika abwirbt. Das ist
nicht wirklich ermutigend.

Der größte Schritt wäre ein Signal an die Welthandelsrunde
gewesen. Solange dort keine Fortschritte erzielt werden, bleibt die
Entwicklungshilfe ein Almosen. Solange die EU und die USA mit ihren
hochsubventionierten Agrarprodukten die Märkte in Afrika zerstören,
ist keine Besserung im Kampf gegen die Armut in Sicht. Insgesamt
steckt der Norden 350 Milliarden Dollar in Subventionen und blockiert
in der gleichen Zeit landwirtschaftlichen Waren aus Afrika den Zugang
nach Europa und Amerika. Zahlen relativieren sich manchmal sehr
schnell.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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