 LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Oettinger/Filbinger
Geschrieben am 15-04-2007 |
Leipzig (ots) - Was war an Günther Oettingers Trauerrede
eigentlich missverständlich? Dass er den verstorbenen Hans Filbinger
attestierte, "kein Nationalsozialist" gewesen zu sein? Oder dass
Filbinger, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident meint, "im
Gegenteil, ein Gegner des NS-Regimes" war? Oettingers Worte waren so
klar, da können gar keine Missverständnisse aufkommen. Ein Fauxpas
sind sie ebenso nicht gewesen, wie sein als Vorwärtsverteidigung
gedachter Offener Brief mit dem peinlichen Stauffenberg-Vergleich und
die gestrigen Statements beweisen. Nein, Oettinger hat diese Worte
ganz bewusst gewählt und einen Skandal provoziert.
Denn seine Rede richtete sich nicht nur an die Trauergemeinde,
sondern zielte auch auf eine sehr konservative Wählerschaft, die
derzeit in der Union keine Heimat findet, weil die Leitfiguren
fehlen. Die hießen einmal Alfred Dregger oder auch Edmund Stoiber.
Der eine ist tot, der andere hat sich selbst demontiert. Es klafft
eine Lücke, die Oettinger - und manch anderer aus der Union - gern
ausfüllen würde.
Das Wählerpotenzial für einen Rechtsaußen wäre zumindest vorhanden,
auch bundespolitisch. Oettingers Voraussetzungen scheinen da günstig,
zumal die Südwest-Union seit jeher als äußerst traditionell gilt. Als
Chef der Landes-CDU muss sich der Ministerpräsident allerdings des
eigenen Fraktionsvorsitzenden, Stefan Mappus, erwehren, der ihn mit
einer betont konservativen Positionierung auskontern will. Die
eigentliche Vorwärtsverteidigung war also bereits die Trauerrede
selbst.
In diesem Sinne kann Oettinger gar nicht anders, als sich resistent
gegen Rücktrittsforderungen oder selbst denen nach einer
Entschuldigung zu geben. Dass das moralisch verwerflich sein mag,
spielt in diesem Politikverständnis offenbar keine Rolle.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung
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