(Registrieren)

Der Tagesspiegel: Brandenburgs Generalstaatsanwalt Rautenberg dringt auf schnelle Ausweitung der Sicherungsverwahrung für gefährliche Straftäter

Geschrieben am 21-01-2007

Berlin (ots) - Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg
dringt auf eine schnellstmögliche Ausweitung der Sicherungsverwahrung
für gefährliche Straftäter. Es fehle ihm "jedes Verständnis" dafür,
dass eine bekannte Gesetzeslücke, die die Freilassung von
bekanntermaßen gefährlichen Straftätern erzingt, nicht unverzüglich
geschlossen wird, schreibt Rautenberg in einem Beitrag für den
"Tagesspiegel" (Montagsausgabe). So müsse Anfang Februar aus dem
brandenburgischen Strafvollzug ein Mann entlassen werden, der dann
eine elfjährige Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern voll verbüßt haben wird, aber weiter als gefährlich gilt.
Eine "nachträgliche Sicherheitsverwahrung" könne aber nicht verhängt
werden -- denn, so schreibt Rautenberg, der Bundesgerichtshof erlaube
dies nur, wenn während des Strafvollzuges "neue erhebliche Tatsachen"
über die Gefährlichkeit eines Täters bekannt geworden sind.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe
deshalb Anfang Januar einen Brief an Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries (SPD) geschrieben und um Beschleunigung des
Gesetzgebungsverfahrens gebeten, schreibt Rautenberg. Zuvor hatte der
Bundesrat bereits im Mai einen Entwurf eines Gesetzes zur "Stärkung
der Sicherungsverwahrung" beschlossen. Rautenberg kritisiert, dass
auch die Bundesregierung einen Entwurf zur Behebung der Gesetzeslücke
angekündigt habe, seither aber untätig geblieben sei.

Sie können diesen Bericht unter Nennung der Quelle verwenden. Im
Anschluss finden Sie den vollständigen Beitrag Rautenbergs für den
"Tagesspiegel".

Mit freundlichen Grüßen,
Holger Wild
Der Tagesspiegel
Redaktion Berlin-Brandenburg

Der Gesetzgeber als Sicherheitsrisiko
Eine Rechtslücke verhindert, gefährliche Straftäter für immer
wegzuschließen

Von Erardo Rautenberg

Anfang Februar wird aus dem brandenburgischen Strafvollzug ein
Mann entlassen werden, der dann eine elfjährige Freiheitsstrafe wegen
sexuellen Missbrauchs von Kindern voll verbüßt haben wird, aber
weiter als gefährlich gilt. Da die der Verurteilung zugrunde
liegenden Taten vor dem 1. August 1995 in den neuen Bundesländern
begangen worden waren, war die Anordnung einer sich an die
Freiheitsstrafe anschließenden Sicherungsverwahrung gesetzlich
ausgeschlossen. Die nunmehrige Anordnung einer "nachträglichen
Sicherungsverwahrung" nach der Vorschrift des Paragrafen 66b
Strafgesetzbuch, die seit dem 29. Juli 2004 gilt, scheitert nach der
gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daran, dass nach
der Verurteilung während des Strafvollzuges keine "neuen erheblichen
Tatsachen" bekannt geworden sind. An der Entlassung dieses
gefährlichen Mannes führt also kein Weg vorbei, und dem Vernehmen
nach droht auch in anderen neuen Bundesländern die Freisetzung
"menschlicher Zeitbomben", es sei denn, der Gesetzgeber wird endlich
tätig.
Das Problem ist längst bekannt: Am 15. Juli 2005 wurde in
Mecklenburg-Vorpommern die 16-jährige Carolin sexuell missbraucht und
ermordet. Der Täter war eine Woche zuvor nach Verbüßung einer
siebenjährigen Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen worden. Bei
seiner Verurteilung wegen eines schweren Sexualdeliktes hatte das
Gericht von der Anordnung anschließender Sicherungsverwahrung
abgesehen. Und die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung war
auch in diesem Fall nicht möglich, weil sich an der dem Gericht
bereits bei der Verhängung der Freiheitsstrafe bekannten
Gefährlichkeit nichts geändert hatte.
Wegen der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung hatte die
Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, einen Antrag auf Erlass der
Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung zu stellen. Dafür wurde
sie von der damaligen Opposition in einem Untersuchungsausschuss an
den Pranger gestellt. Gleichwohl wird eine integre Staatsanwaltschaft
auch künftig darauf verzichten, offensichtlich unbegründete Anträge
bei Gericht zu stellen, um den Zorn über eine der Öffentlichkeit
nicht kommunizierbare Rechtslage von sich auf die weniger
angreifbaren Richter zu lenken.
Nachdem der Untersuchungsausschuss seine Schuldigkeit als Kampfarena
im Landtagswahlkampf getan hatte, der unbequeme Generalstaatsanwalt
aus Altersgründen pensioniert worden war und die damalige Opposition
nun die Justizministerin stellt, konnte sich auch in
Mecklenburg-Vorpommern die Erkenntnis durchsetzen, dass die
Staatsanwälte nur geltendes Recht angewandt hatten und dieses
offenbar eine Lücke aufweist, der Bundesgesetzgeber also im Besitz
des Schwarzen Peters ist.
Bereits am 19. Mai 2006 hat der Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes
zur "Stärkung der Sicherungsverwahrung" beschlossen, um diese
Gesetzeslücke zu schließen. Mit Schreiben vom 28. Juni 2006 hat die
Bundeskanzlerin den Entwurf an den Präsidenten des Deutschen
Bundestages mit einer Stellungnahme der Bundesregierung
weitergeleitet. Darin teilt die Bundesregierung "die Auffassung des
Bundesrates, dass das System der Sicherungsverwahrung zum Schutz
insbesondere von Frauen und Kindern vor schweren Sexual- und
Gewalttaten der Ergänzung bedarf", und kündigt an, dass sie "in
Kürze" einen eigenen Entwurf vorlegen werde, der die zutage
getretenen Probleme einer umfassenden und differenzierenden Lösung
unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben zuführen solle. Bei
dieser Ankündigung ist es bisher leider geblieben, was zu einem
ungewöhnlichen Vorgang geführt hat: Die Justizministerin des Landes
Brandenburg hat den anfangs geschilderten Fall im Kabinett
vorgetragen, wonach auf ihre Bitte der Ministerpräsident deswegen die
Bundesjustizministerin Anfang dieses Monats angeschrieben und um
Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens gebeten hat.
Auch mir fehlt jedes Verständnis dafür, wenn erkannte Gesetzeslücken,
die zur Begehung schwerster Straftaten führen können, nicht
unverzüglich geschlossen werden. Für Straftäter, bei denen die
materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung bei der
Aburteilung vorlagen, diese aber aus formellen Gründen nicht
angeordnet werden konnte, die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit
aber fortbesteht, und für Straftäter, bei denen eine derartige
Gefährlichkeit auf einer nicht behandelbaren psychischen Erkrankung
beruht, könnte in der Tat gelten, was der Basta-Kanzler 2001
verkündete: "Wegschließen - und zwar für immer"

Originaltext: Der Tagesspiegel
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=2790
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_2790.rss2

Pressekontakt:
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de
 


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

49780

weitere Artikel:
  • Südwest Presse: Kommentar zur Tarifpolitik Ulm (ots) - Die Töne werden schriller in der Tarifpolitik: Die Betriebsratsvorsitzenden von Daimler-Chrysler beziehungsweise Porsche, Erich Klemm und Uwe Hück, hängen die Messlatte in der Tarifrunde in der Südwest-Metallindustrie mit Forderungen nach 6,5 beziehungsweise gar 9,5 Prozent bewusst hoch. Gewiss, das zählt alles auch zum sattsam bekannten Ritual der Tarifrunden. Aber anders als in den zurückliegenden Jahren befinden sich die Gewerkschaften diesmal in einer weitaus besseren Ausgangsposition. Die Konjunktur brummt, die Arbeitnehmer mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Hillary Clinton Halle (ots) - Auf dem (Rück-)Weg ins Weiße Haus stehen für Hillary Clinton noch viele Hürden, über die sie stolpern kann, doch ihre Präsidentschaftskandidatur wird nicht daran scheitern, dass sie eine Frau ist. Ein viel größeres Problem ist vor allem der innerparteiliche Wettkampf um die Kandidatur. Schon jetzt stehen zwei gefährliche Konkurrenten fest: John Edwards und der Farbige Barack Obama. Auch wenn sich nicht voraussagen lässt, ob die frühere First Lady Präsidentin wird, ist sie nicht chancenlos. Denn bei aller momentanen Begeisterung mehr...

  • Westfalenpost: Eiskalte Berechnung Hillary Clinton will Präsidentin werden Hagen (ots) - Von Jörg Bartmann Lange hat sie damit nur koketiert, sich nicht festlegen wollen. Nun aber machte Hillary Clinton über ihre Internetseite deutlich: Sie will erneut ins Weiße Haus einziehen. Nach den langen Jahren als "First Lady", den repräsentativen Aufgaben und der unappetitlichen Lewinsky-Affäre möchte sie die Geschicke der Welt bestimmen: Als erste Frau in der US-Geschichte. Man traut ihr das zu, weil sie über Disziplin, Sachkenntnis und Härte verfügt. Einen Eildurchgang in der demokratischen Partei kann sie dennoch mehr...

  • WAZ: Hannelore Kraft ist SPD-Spitze: Wetteifern ums Soziale - Kommentar von Wilhelm Klümper Essen (ots) - Der Bürger hat den Überblick verloren. Laut einer kürzlich durchgeführten Emnid-Umfrage wussten 90 Prozent der Wahlberechtigten in NRW nicht, wer in ihrem Bundesland die SPD anführt. Sechs Prozent verorteten gar den CDU-Ministerpräsidenten Rüttgers an die SPD-Spitze. So viel zum Bekanntheitsgrad von Spitzenpolitikern in der breiten Bevölkerung. Die mitunter aufgeregten Politiker machen es dem durchschnittlich interessierten Bürger auch wahrlich nicht leicht - insbesondere beim Sozialen - die Übersicht zu bewahren. Rüttgers mehr...

  • WAZ: Kandidatur angemeldet: Ein harter Weg für Hillary Clinton - Leitartikelk von Markus Günther Essen (ots) - Ist Amerika reif für eine Frau im Amt des Präsidenten? Aber klar! Das ist in den USA gar nicht so viel anders als in Deutschland auch: Vorher wird endlos darüber philosophiert und palavert, warum es eine Frau eigentlich nicht schaffen kann. Man kann sich das halt, solange es das noch nie gab, nicht so recht vorstellen: eine Bundeskanzlerin, eine US-Präsidentin. Aber wenn es dann erst einmal so weit ist, ist es sehr schnell sehr normal. Auf dem (Rück-) Weg ins Weiße Haus stehen für Hillary Clinton noch viele Hürden, an mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht