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Berliner Morgenpost: Ein Test für die Glaubwürdigkeit - Leitartikel

Geschrieben am 14-05-2010

Berlin (ots) - Die Klage des Bundespräsidenten ist allzu
berechtigt. Sie ist auch nicht neu. Doch außer wohlfeilen
Beteuerungen, sich zu bessern, werden keine folgenreichen
Konsequenzen gezogen. Es geht um den Vertrauensverlust der
demokratischen Institutionen in Deutschland, den das Staatsoberhaupt
gestern bei der Amtseinführung des neuen
Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Andreas Voßkuhle beklagte. Die
Parteien, Parlamente und Regierungen hätten viel von ihrem Ansehen
verloren, mahnte der Präsident. Damit steht ihre Glaubwürdigkeit auf
dem Spiel. Die ohnehin schwindende Bindungskraft und damit
Wertschätzung insbesondere der Parteien hat gerade in den letzten
Jahren und wieder in diesen Tagen weiteren Schaden genommen. Wie
verlässlich und damit glaubwürdig ist eine Partei (wie 2005 die SPD),
die im Wahlkampf ihren Gegner mit einer Kampagne gegen eine höhere
Mehrwertsteuer anprangert, in der anschließenden großen Koalition mit
ihr den Satz dann aber gleich um drei Prozentpunkte anhebt? Wie
vertrauenswürdig ist eine Wunschkoalition (2009 CDU, CSU und FDP),
die außer Streit nichts Wesentliches zustande bringt? Und wie
überzeugend ist eine Partei (SPD in NRW), die jetzt mit einer anderen
zu koalieren bereit ist, der sie vorher Regierungs- wie
Koalitionsfähigkeit abgesprochen hat. Das alles kann ohnehin
vorhandenes Misstrauen nur bestärken. Damit sind wir aktuell bei den
Folgerungen der NRW-Landtagswahl. Demokratische Parteien müssen
miteinander koalitionsfähig sei. Diese eiserne Regel muss gelten.
Aber wie demokratisch ist die Linkspartei? Diese Frage stellt sich
insbesondere an Rhein und Ruhr, wo die Sozialisten ein bunter Haufen
radikaler Sektierer, Fundamentalisten und Kommunisten bar jeder
Erfahrung (bis auf einen MdL) in einem Landesparlament ist. Kaum
verwunderlich, dass der Verfassungsschutz die Linke im Visier hat. So
verständlich das Sehnen der SPD ist, dank Grünen und Linkspartei
wieder die Regierungschefin zu stellen, sollte sie sich auf die
Bewertung der Linksextremen vor der Wahl besinnen. Das mag
machtpolitisch nachteilig sein. Der Glaubwürdigkeit bis hinein in die
Bundespartei wäre es dienlich. Zumal es mit der Ampel zumindest den
Versuch zu einer glaubwürdigen Alternative gäbe. Der FDP mangelnde
Staatsverantwortung vorzuwerfen, weil sie sich an das hält, was sie
vor der Wahl gesagt hat (keine Parallelverhandlungen von Rot-Grün mit
der Linkspartei und den Liberalen), klingt angesichts der
Glaubwürdigkeitskrise, in der die Politik ganz generell steckt,
geradezu zynisch. Wenn SPD und Grüne am Ende klüger werden und das
hohe Risiko mit der Linkspartei doch noch scheuen, könnte sich die
FDP allerdings schwerlich glaubwürdig ein zweites Mal verweigern.
Dann müsste sie inhaltlich wie machtpolitisch entscheiden, was ihr
mehr nützt: Ampel oder Opposition gegen eine große Koalition? Wie der
Koalitionspoker in NRW auch immer ausgeht - er wird die Sorgen des
Bundespräsidenten um den Vertrauensverlust gegenüber der Politik
nicht mindern.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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