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Südwest Presse: Kommentar zu Griechenland

Geschrieben am 28-04-2010

Ulm (ots) - Betuchte Griechen, so ist in der Finanzszene zu hören,
reißen sich derzeit in London um Luxusobjekte in den allerbesten
Wohngegenden. Gern in Millionenhöhe - Millionen Pfund natürlich. Sie
bringen ihr Geld vor den Banken ihres eigenen Staates in Sicherheit.
Nur ein Auswuchs des internationalen Spekulantentums, das zur
griechischen Tragödie beiträgt und sie verschärft. Bedient wird die
Gier von hochmögenden "Ratingagenturen". Die sind rein ökonomischen
Kriterien verpflichtet und vermögen mit diesem Maßstab einfach den
Daumen über ein Land mit elf Millionen Einwohnern zu senken. Nach der
US-Immobilien- und Bankenkrise besteht abermals aller Anlass zur
Suche nach Instrumenten, die der internationalen Finanzspekulation
straffere Zügel anlegen. Dass Griechenland hilfsbedürftig am Boden
liegt, haben allerdings nicht die Geier verursacht, die jetzt über
dem vermeintlichen Opfer kreisen. Es gibt vielmehr viele Gründe für
die Annahme, dass sich das Land durch systematische Hochstapelei
zuerst den Beitritt zum Euroclub erschlichen und seitdem notorisch
über seine Verhältnisse gelebt hat. Und dass dieses Verhalten durch
Nachlässigkeit und Blindheit von den Euro-Wächtern zu lange ignoriert
worden ist. Schon als Griechenland 2001 dem Euroclub beitreten
durfte, hat es nicht an Warnungen gefehlt. Sie wurden abgetan, weil
der Ausschluss des Landes von der Währungsgemeinschaft politisch
nicht korrekt gewesen wäre und weil niemand sich vorstellen konnte,
dass ein Staat, dessen Wirtschaftsleistung etwa zehn Prozent der
deutschen beträgt, der Einheitswährung irgendwie gefährlich werden
könnte. Sachlich begründete Skepsis bekam zudem den Beifall der
Anti-Europäer, die mit engen nationalen Motiven jede Ausweitung der
EU ablehnen - auch deshalb wurde sie lieber beiseitegeschoben. Doch
wozu leistet sich Europa eigentlich eine Kommission in Brüssel,
formal die Hüterin der EU-Verträge, wenn dort solche
Fehlentwicklungen verschlafen werden? Tatsächlich hat Eurostat, das
EU-Statistikamt, seit 2002 angemahnt, dass Griechenland fragwürdige
oder offensichtlich schöngerechnete Zahlen nach Brüssel liefert, um
seine Defizite zu verschleiern. So gaben Homers Nachfahren
schlitzohrig an, sie würden Rüstungskäufe erst bei Lieferung
verbuchen, erklärten den Lieferzeitpunkt mit Blick auf den ach so
gefährlichen Nachbarn Türkei aber zum Staatsgeheimnis. Politische
Konsequenz aller Warnungen: Fehlanzeige. Erst als das Kind im Brunnen
lag, schlugen Papa Sarkozy, Mutti Merkel und die ganze EU-Sippschaft
Alarm. Nun bleibt, seien wir ehrlich, nichts anderes, als den
Griechen unter die Arme zu greifen. Weil die EU Mithaftung trägt für
das Desaster - siehe oben. Weil sie den Namen Union nicht verdiente,
ließe sie ein in Not geratenes Mitglied kühl pleite gehen. Und, das
vor allem zählt, weil eine griechische Pleite rasch eine
portugiesische, irische, spanische nach sich ziehen könnte. Dass man
den Griechen schmerzhafte Auflagen macht, dass sie Vergünstigungen
aufgeben müssen, über die Rest-Europa sowieso staunt, steht auf einem
anderen Blatt. Allein jedoch kommen die Helenen nicht aus der
Patsche. Faktisch ist der Fall Griechenland deshalb eine Art Einstieg
in den Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene. Im Lissabon-Vertrag ist
das nicht vorgesehen und die Auswirkungen sind kaum absehbar. Für
national gesonnene Euro-Skeptiker ist es Wasser auf die Mühlen. Für
die Ost-Europäer wird die Beitrittsschwelle zur Währungsunion höher.
Wer es gut meint mit der EU, achtet deshalb künftig stärker darauf,
dass Defizitgrenzen und andere Stabilitätsregeln nicht nur auf dem
Papier stehen. Sondern beherzigt werden.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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