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Berliner Morgenpost: Große Versprechen, große Enttäuschung

Geschrieben am 13-04-2010

Berlin (ots) - Eine der schlimmsten Plagen der Menschheit ist die
Erwartung. Ob Weihnachtsgeschenk oder Aktienkurs, ob Hochzeit oder
Hertha - nichts trifft uns mehr als enttäuschte Erwartungen. Der
Dalai Lama rät: Einfach auf die Erwartungen verzichten. Gut gemeint,
aber für den Alltag eher untauglich. Denn wer nichts erwartet, der
handelt auch nicht - Erwartungen treiben den Menschen immer wieder
aufs Neue an. Marketingexperten versuchen sich seit jeher in der
Kunst des Erwartungsmanagements. Es gilt, auf dem schmalen Grat
zwischen Motivation und Enttäuschung zu balancieren. Barack Obama
kennt das Problem allzu gut, und Jogi Löw wird es spätestens in der
Causa Kuranyi kennenlernen.
Um menschliches Handeln zu erklären, verwenden Verhaltensökonomen das
Erwartung-mal-Wert-Modell. Als Beispiel mag der vergangene September
dienen: Fast 15 Prozent der Wählenden machten das Kreuz bei der FDP -
hohe Erwartungen multipliziert mit spürbaren Steuersenkungen
bescherten den Liberalen ein phänomenales Resultat bei der
Bundestagswahl. Bei manchen Wählern siegte die Aussicht auf mehr
Bares offenbar über solide Werte wie Erfahrung oder Überzeugung.
Seit gestern ist endgültig klar, dass das Erwartungsmanagement der
Westerwelle-Partei versagt hat. So ziemlich nichts von dem, was die
FDP im Wahlkampf versprochen hatte, wird eingelöst. Kein Wunder:
Angesichts von 80 Milliarden Euro neuer Schulden und allenthalben
klammen Kassen sind keine Spielräume für spürbare Steuersenkungen da.
Zu diesem Ergebnis hätte man schon im September 2009 kommen können,
durch schlichtes Rechnen. Die Kosten der Finanzkrise sind
abzustottern, was mit dem Verzicht auf Einnahmen schwerfallen dürfte.
An das Märchen von der sich selbst finanzierenden Reform glauben
inzwischen nicht mal mehr die Liberalen selbst.
So blieb der kleinen Partei mit den großen Versprechen gestern nichts
anderes übrig, als Bonsai-Pläne zu Urwaldriesen umzudeuten. Was die
Finanzexperten der FDP als großen Wurf vorgelegt haben, entlockt dem
Koalitionspartner CDU ein triumphierendes Grienen. Endlich sind die
liberalen Dampfplauderer in der Realität angekommen und reduzieren
ihre Reform auf selbstverständliche Kleinigkeiten - ob ein neues
Steuermodell nun drei oder fünf Stufen hat, darf man getrost als
Detail abbuchen. Und dass die kalte Progression weg muss, hatten die
Kanzlerin und ihr Herausforderer Steinmeier bereits im Wahlkampf
gefordert. Zugleich werden die bereits erfolgten Entlastungen dieses
Jahres in die zugesagten 16 Milliarden Euro eingerechnet, also auch
der umstrittene Hoteliersbonus.
Die FDP hat das Kunststück fertiggebracht, alle Wählergruppen
gleichzeitig zu verprellen. Die Besserverdienenden, weil sie gar
nicht berücksichtigt werden. Die Zufallswähler, weil deren
Erwartungen enttäuscht wurden. Und die Kleinverdiener, weil sie von
den Erleichterungen kaum etwas spüren dürften. Immerhin hat die FDP
den wichtigsten Grundsatz des Erwartungsmanagements bewiesen: Nicht
Labern muss sich lohnen - sondern Leistung.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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