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Berliner Morgenpost: Das Leiden und die Kraft zur Versöhnung - Leitartikel

Geschrieben am 11-04-2010

Berlin (ots) - Die Worte der alten Hymne enthalten Schmerz und
Hoffnung, dazu den trotzigen Willen zur Selbstbehauptung: "Noch ist
Polen nicht verloren..." Die kollektive Erinnerung des Landes geht
weit zurück in die Jahrhunderte. Manche Nationen leben aus ihrer
Glorie, andere aus den Chroniken ihres Leidens. Polen gehört zu den
letzteren, und hat wahrhaftig Grund dazu. Auch deshalb ist der
Absturz der Regierungsmaschine am Samstag nicht nur ein tragischer
Unfall, was auch immer sich als Ursache erweisen wird. Zeit und Ort
sind hoch symbolisch: Katyn, das Ziel der Reise, ist bis heute
Schreckenswort und Trauma, tief eingegraben in die Erinnerung. Nur
wenige Tage vor der Tragödie hatten Polens Ministerpräsident Donald
Tusk und Russlands Ministerpräsident Waldimir Putin ihre Worte der
Versöhnung über den Massengräbern im Wald von Katyn staatsklug und
versöhnlich gewählt.
Nach dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine beweisen die
behutsame und kooperative Haltung des polnischen Premiers und der
Führungsspitze in Moskau eindrucksvoll, wie sehr beide Seiten
bestrebt sind, den alten Dämonen die Wiederauferstehung zu verbieten.
Insoweit liegen in Schmerz und Trauer auch Hoffnung. Dieses Element
der Hoffnung ist auch für die entfernter wohnenden Europäer von
zukunftsweisender Bedeutung. Es bedarf mehr noch als bisher der
Unterstützung und der Pflege; denn Frieden und Versöhnung können
abstürzen - wie Flugzeuge. Die Polen haben sich ihren Ort in der
Mitte Europas nicht gewählt. Er war ihr Schicksal über die letzten
Jahrhunderte, als Polen immer wegzudenken war von der Landkarte. Der
Beitritt zum Nordatlantischen Bündnis bedeutete noch mehr als die
europäische Integration in geschichtlicher Perspektive zuerst und vor
allem den Versuch, sich gegen die Ungunst dieser Lage zu versichern.
Schließlich verführte die Geografie Osteuropas auch zur
Grenzenlosigkeit. Im 17. Jahrhundert herrschte noch das
polnisch-litauische Großreich vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer.
1683 rettete König Johann Sobieski mit seinen Panzerreitern Europa
vor Wien gegen die Türken.
Aber ein Jahrhundert später hatte die polnische Adelsrepublik sich
selbst zerstört und wurde geteilt, bis 1795 nichts mehr von ihr übrig
war. Auf dem Wiener Kongress wurde dem russischen Bären - damit er
sich in die östlichen Wälder trollte - die polnische Gans als
Wegzehrung eingepackt. "Kongresspolen" wurde russische Provinz. Erst
am Ende des Ersten Weltkriegs wurde wieder die polnische Republik ins
Leben gerufen, dank amerikanischer, britischer und vor allem
französischer Interessen.
Die letzte Katastrophe Polens begann, als am 23. August 1939 Hitler
und Stalin ihren Nichtangriffspakt abschlossen - und das geheime
Zusatzprotokoll den Sowjets die baltischen Staaten und die Hälfte
Polens zuteilte. Die Abschreckung des Westens war unernst und
impotent. Es begann der Vernichtungskrieg: SS-Einsatzgruppen mordeten
im Westen Polens, sowjetische NKWD-Truppen im Osten.
Auf dem Totenfeld von Katyn sollte auch Polens Freiheit sterben. Es
ist anders gekommen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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