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Berliner Morgenpost: Wie die Kirche Vertrauen wieder herstellen kann (Leitartikel)

Geschrieben am 26-02-2010

Berlin (ots) - Die Empörung war zu Recht groß: Jahrzehntelang
wussten die Verantwortlichen im Jesuitenorden von den
Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg. Aber es blieb bei
Versetzungen und Vertuschungen. Wenn die Kirche ihr Glaubwürdigkeit
retten will, dann muß sich jetzt schnell etwas ändern. Fünf Punkte
sollte sie dabei beherzigen:
Erstens: eine schonungslose Aufarbeitung. Die katholische Kirche ist
gefordert, nicht in die Verhaltensmuster der vergangenen Jahrzehnte
zurückzufallen - und alles intern regeln zu wollen. Es ist Zeit, dass
die Verbrechen von einer Kommission aufgearbeitet und öffentlich
gemacht werden. Wer von Missbrauchsfällen wusste und noch im Amt ist,
muss zurücktreten - wie es gestern auch wieder geschehen ist.
Zweitens: schonungslose Aufklärung. Den Berichtsauftrag der
Kommission darf nicht im Ungefähren bleiben, er muss konkret gefasst
werden: Wer wusste wann Bescheid? Wie wurden die Fälle vertuscht? Was
geschah mit den Opfern? Wenn es Fälle von Selbstmord aufgrund solcher
Missbrauchsfälle gab, gehört das ebenfalls in einen
Untersuchungsbericht. Solche konkreten Fragen müssen nun gestellt und
dann beantwortet werden. Als Vorbild kann der Untersuchungsausschuss
im Parlament gelten, der einen klaren Fragenkatalog abarbeitet. Hier
kann die Kirche von der Politik lernen.
Drittens: die Auswahl der Aufklärer. Es reicht nicht, einen
Kirchenmann wie den Trierer Bischof als Beauftragten für die
Aufklärung der Missbrauchsfälle zu installieren. Zum Vergleich: Der
Wehrbeauftragte der Bundeswehr ist beispielsweise ganz bewusst nicht
Teil der Generalität. So kann er unabhängig agieren. Es ist also
sinnvoll, kirchenkritische Außenstehende hinzuzuziehen.
Viertens: die Einschaltung des Staatsanwalts. Wo es möglich ist, muss
Anzeige erstattet werden. Der Rechtstaat muss aufklären und bestrafen
- gerade da, wo es die Kirche nicht schafft. Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat recht,
wenn er auch von einer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern in
den Schulen spricht und vor einem Automatismus warnt. Aber die Kirche
darf sich jetzt auch nicht hinter einem falsch verstandenen
Opferschutz verstecken. Missbrauch von Schülern ist ein sehr
sensibles Thema. Viele ehemalige Canisianer scheuten die
Öffentlichkeit, selbst ihren Eltern erzählten sie nichts von den
Taten der Patres. Es war auch ein System des Schweigens, das die
Aufklärung jahrzehntelang behinderte.
Fünftens: Vertrauen ist die Grundlage für das Leben in der Kirche und
ihren Schulen. Vertrauen in den Aufklärungswillen der Schulleitung.
Vertrauen in einen Lehrer oder Beauftragten, an den sich ein Schüler
wenden kann, ohne gleich Sanktionen befürchten zu müssen. Die Kirche
täte gut daran, solche Vertrauensleute flächendeckend zu
installieren.
Neben einer umfassenden Aufarbeitung der Vergangenheit geht es jetzt
auch darum, die Zukunft der Kirche und ihrer Schulen zu sichern.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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