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Berliner Morgenpost: Auf dem Weg zum gläsernen Arbeitnehmer - Leitartikel

Geschrieben am 04-01-2010

Berlin (ots) - Seit Jahren schlummerte "Elena" im Dunkeln. Jetzt,
da der niedlich verharmlosende Name ans Licht kommt, sorgt er für
helle Aufregung. Zu Recht. Denn "Elena", der "Elektronische
Entgeltnachweis", steckt voller Tücken. Wie so oft, wenn
Ministerialbürokraten eine an sich gute Absicht in Paragrafen
umsetzen, wird auch im Fall "Elena" weit über das Ziel
hinausgeschossen. Seit Januar 2010 müssen Deutschlands rund 3,2
Millionen Arbeitgeber monatlich Datensätze über Einkommen und
Beschäftigung ihrer etwa 40 Millionen Arbeitnehmer an eine zentrale
Speicherstelle bei der Deutschen Rentenversicherung schicken. Die
eigentlich gute Absicht dahinter: Mittels dieser Zentraldatei soll
die Kontrolle bei der Beantragung von Sozialleistungen verbessert und
damit Geld gespart, außerdem mit zeitgemäßer Technik Bürokratie
bekämpft werden.
Aber gut gemeint ist bekanntlich noch lange nicht gut getan. Erst
jetzt wird wirklich öffentlich, was die Arbeitgeber über jeden
Beschäftigten zu melden haben. Neben Gehalt, Art und Dauer der
Beschäftigung auch so sensible Interna wie Fehlzeiten der
Arbeitnehmer, sogar die Beteiligung an Streiks sollte ursprünglich
gespeichert werden. Damit ist der gläserne Arbeitnehmer programmiert.
In diesem Fall ist es der Staat selbst, der den Datenschutz, den er
bei so vielen anderen Gelegenheiten bis ins Absurde hochhält, tief
untergräbt. Eine solche zentral mit berufsbezogenen Detailangaben
gefütterte Datei weckt zwangsläufig früher oder später
Begehrlichkeiten. Da mögen die Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch noch
so ausgetüftelt sein - zu umgehen oder zu knacken sind sie letztlich
fast alle. Da haben sich Bürokraten ein Monster erdacht, um sich die
Bürokratie (konkret das Abfragen von Daten vor der Vergabe von
Sozialleistungen) zu erleichtern. Das ist schwer akzeptabel
angesichts des tiefen Einblicks in die Persönlichkeit jedes
Arbeitnehmers.
Selbst der Anspruch, mit "Elena" der Bürokratie ein Schnippchen zu
schlagen, trägt nicht. Viele Arbeitgeber, vor allem kleinerer
Betriebe, müssen mit noch mehr Bürokratie rechnen. Hatten sie bisher
nur im Einzelfall per Papierform Auskunft über einen Beschäftigten zu
geben, wenn dieser Sozialleistungen wie Wohn-, Eltern- oder
Arbeitslosengeld beantragte, sind fortan monatlich die Daten der
gesamten Belegschaft elektronisch zu übermitteln. Das bedeutet mehr
und nicht weniger Arbeitsaufwand für die Bequemlichkeit der
Staatsbürokratie.
Auch im zuständigen Bundesarbeitsministerium scheinen die Zweifel an
dem 40 Seiten füllenden Meldekatalog zu wachsen. Ein Sprecher des
Ministeriums von Ursula von der Leyen räumte gestern ein, man werde
prüfen, "ob das alles Sinn macht". Eine erste Konsequenz muss
zumindest die radikale Straffung des Meldekatalogs sein. Die zweite,
längerfristige und seit Jahren überfällige: Bündelung und
Vereinfachung der Sozialgesetze samt Minimierung der vorzulegenden
Nachweise. Das wäre ein wahrer Dienst gegen die Bürokratie und für
die Transparenz aller sozialen Wohltaten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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