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Berliner Morgenpost: Kein Freibrief für Unwirtschaftlichkeit - Leitartikel

Geschrieben am 20-12-2009

Berlin (ots) - Sie hätte langweilig werden können, die Berliner
Landespolitik im Zwischenwahljahr 2010. Die rot-rote Koalition
verfällt aus Angst vor der eigenen wackeligen Mehrheit in
Angststarre. Die Opposition hat nicht den Mumm, sich als echte
Alternative zu SPD und Linken zu organisieren. Interessante Debatten
sind nicht in Sicht, alle harren nur darauf, ob die von vielen für
2011 als wahlentscheidend betrachtete Schulreform nun einigermaßen
gelingt oder ob eine chaotische Organisation die Wähler vergrault.
Aber plötzlich stehen doch Themen auf der Agenda, die alle Bürger
angehen und die in die ureigenste Verantwortung der Kommunal- und
Landespolitik fallen, sodass sich also niemand auf irgendwelche
Vorgaben des Bundes zurückziehen kann. Es geht um den Umgang mit
öffentlichen Dienstleistungen, mit früheren oder aktuellen
Staatsunternehmen. Es geht um die Frage, wie wir Daseinsfürsorge,
also Nahverkehr, Wasser, Müll, Strom, Gas, Wohnen, in Berlin
organisieren.
Das Verdienst, diese Fragen aufgebracht zu haben, gebührt
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), dem nach Gysis Intervention
sehr wahrscheinlichen Spitzenkandidaten der Linken für 2011.
Natürlich setzt Wolf mit Forderungen, die für viele Linke nicht nur
in seiner Partei attraktiv klingen, die SPD unter Zugzwang. Und
natürlich punktet Wolf in den eigenen Reihen, wenn er mehr Staat in
der Wirtschaft propagiert.
Aber es griffe zu kurz, Wolfs Pläne als linke Propaganda
abzuqualifizieren. Überall in der Republik versuchen Kommunen,
Privatisierungen der Vergangenheit zurückzudrehen. Dass es in jedem
Fall und immer der Markt richtet, dieses Zutrauen hat nicht zuletzt
die Finanz- und Wirtschaftskrise auch bei vielen Kommunalpolitikern
der konservativen Parteien zerstört.
Niemand sollte sich jedoch in diesen komplizierten Fragen von
Ideologie leiten lassen. Nötig ist ein unternehmerischer Ansatz, der
fragt, was soll ein Gasversorger oder ein Verkehrsunternehmen leisten
und wie kann eine Stadt ihre Interessen durchsetzen. Ob man dann
Anteile kaufen sollte oder andere Instrumente wie Ausschreibungen und
Konzessionen oder Verträge nutzt, muss im Einzelfall entschieden
werden. Für die Gasag kann man also zu einem anderen Schluss kommen
als für die S-Bahn.
Für die Bürger sind solche Diskussionen kompliziert, aber spannend.
Unterschiedliche Vorstellungen, wie ein Gemeinwesen aufgebaut sein
sollte, werden sichtbar. Wähler können entscheiden, ob sie ihre
Interessen eher durch Verfechter des freien Marktes gewahrt sehen
oder ob sie mehr öffentliche Interventionen wollen. In jedem Fall
geht Politik wieder in die Verantwortung für kommunale Leistungen,
die zu Monopolen neigen wie die Versorgung mit Wasser, Bahnlinien
oder Gas.
Eines muss jedoch klar sein: Öffentliche Kontrolle von Unternehmen
kann kein Freibrief für Unwirtschaftlichkeit sein. Es darf nicht
darum gehen, mit Steuergeldern Tarife herunterzusubventionieren. Aus
dieser unheilvollen Tradition hat sich Berlin gerade befreit.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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