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Berliner Morgenpost: Vorhang auf für die nächste Bildungs-Show

Geschrieben am 15-12-2009

Berlin (ots) - Zum Jahresende erlebt das Land traditionell noch
einmal eine Reihe symbolpolitischer Shows, die eines stets gemeinsam
haben: Für die Nachrichten werden Bilder von wichtig dreinblickenden
Volksvertretern gemacht, als Ersatz für tatsächliches Handeln. An
diesem Mittwoch nun wird der Bildungsgipfel gegeben; als
Hauptdarstellerin tritt Ministerin Schavan vor die Kameras. Die frohe
Botschaft: Seht her, die Regierung fördert Bildung. Wie bei allen
Bildungsgipfeln bleibt bei Eltern gleichwohl das merkwürdige Gefühl,
dass sich die Fördermilliarden irgendwo zwischen der großen Berliner
Bühne und den ramponierten Klassenzimmern einfach auflösen.
So wird es wieder sein. Denn es geht bei diesem Gipfel weniger um
schlauere Kinder, sondern darum, widerspenstigen Länderchefs ihre
Stimme zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz abzukaufen. Um was noch?
Die Studentenproteste haben zu ein paar Krümeln mehr BAföG geführt,
und eine verkorkste Uni-Reform soll mit einem kostspieligen
"Qualitätspakt Bologna" gerettet werden. Obendrauf gibt's ein paar
Stipendien.
Alles schön, alles wohlklingend. Aber die Nöte der Bildungsrepublik
werden mit sanfter Korruption und Anästhesie kaum zu lindern sein.
Das deutsche Drei-Klassen-System wird sich weiter in die Gesellschaft
fressen. Oben steht die wachsende Zahl Eltern, die es sich leisten
können oder wollen, ihren Nachwuchs auf private Schulen schicken, zu
Auslandsaufenthalten oder zur Nachhilfe. Am unteren, rasch wachsenden
Ende, das die Politik beschönigend "bildungsfern" nennt, werden junge
Menschen auf ein weitgehend erwerbsloses Leben vorbereitet. Für
Eltern, die keinen Wert auf Bildung legen, weil sie ihr Leben auch
ohne Bücher halbwegs hinbekommen und diese Botschaft an ihre Kinder
weitergeben, bleibt der Berliner Gipfel folgenlos. Zwischen
Bildungselite und Bildungsverweigerern bewegt sich eine schrumpfende
Mittelklasse, die sich mit dem öffentlichen Angebot arrangiert. Dass
dieser Dreiteilung nicht entgegengewirkt wird, das ist der wahre
Gipfel.
Eines der großen Versprechen der Bundesrepublik lautete immer: Jeder,
der will, kann es mithilfe eines vielfältigen deutschen Systems nach
oben schaffen, notfalls auch später, auf dem zweiten Bildungsweg, so
wie der frühere Bundeskanzler Schröder. Dieses Versprechen gilt nicht
länger. Internationale Studien belegen einhellig, dass die Zukunft
junger Menschen entscheidend vom Status der Eltern abhängt. Die
deutsche Schule ist keine Chancen-Maschine mehr, sondern vertieft
soziale Gräben.
Ein Land ohne Aufstiegskorridore aber beraubt sich seines
wichtigsten, zudem kostenlosen Motivationsprogramms. Schüler, die
früher sagten: "Keinen Bock, hat ja doch keinen Zweck", konnte man
oft zu Recht der Bequemlichkeit bezichtigen. Heute liegen junge
Menschen mit defätistischen Sprüchen leider meist richtig.
Inszenierungen wie dieser "Bildungsgipfel" ringen Schülern nur mehr
ein mattes Lächeln ab. Sie ahnen: Mit ihrem Leben hat die Show auf
der Berliner Bühne nichts zu tun.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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